Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

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DAS 
XLVI. 
Wßsl-IN 
NEUIDEALISMUS 
DES 
Die Sprache, bisher von architektonischem Aufbau und man 
morner Kälte, wird fein nüancirend, krankhaft persönlich. Die Form 
löst sich auf und verschwindet. Der Gedanke, früher starr und steif. 
wird beweglich und flüssig, die Composition wird geschmeidigen das 
feine Wörterbuch erweitert seinen Rahmen, um gelenkig allen Regungen 
der Seele zu folgen, die Hüchtigsten, kaum auszudrückenden Nuancen 
der Dinge in sich aufzunehmen. 
Von der lyrischen Poesie hatte das realistische Zeitalter ge- 
redet, als wäre sie nur ein Zeitvertreib für Knaben und Mädchen. 
seichter Abguss schaler Emplindsamlteit, und nicht zu dulden, wenn 
sie nicht mindestens mit den Resultaten der exakten Wissenschaften 
sich befrachtete und beschwerte. In der Gegenwart erwacht sie zu 
neuem Leben." Symbolisten, Decadents oder wie sie sich nennen. 
ihr Ziel ist, der Musik ihre intimsten, ungreifbarsten Qualitäten zu 
nehmen, ihr tiefes Träumerisclies, ihre diffuse Harmonie und schmach- 
tende Hinfälliglteit. Die Früheren sprachen mit einer Correctheit, dass 
man die Rippen der Granamatik durch ihre Phrasen fühlte, mit einer 
buchstäblichen Anwendung der Worte, als hätten sie sie frisch aus 
den Spalten des Lexikons. Diese neuen möchten eine Lyrik des 
Traumes schaffen, an die Stelle der klaren Formvollendung der 
Classikei" das mystisch Umschleierte, Visionär Unergrfindliclie setzen, 
durch blosse Wortklänge eine suggestive, der Musik ähnliche Wirk- 
ung erzielen. 
Im Roman zeichnen mehrere ältere, bis dahin nicht zur Geltung 
gekommene Berühmtheiten sich plötzlich brüsk ab, allen voran Baude- 
laire und die Gebrüder Goncourt, die ihrer Zeit vorausgegangen waren, 
so wie unter den Romantikern Balzztc der seinigen vorausschritt und 
erst von der darauf folgenden realistischen Generation den Marschall- 
stab erhielt. Man will vom Romancier weder mehr Objectivität wie 
bei den Realisten, noch Rhetorik wie bei den Romantikern, man 
sucht in ihnen Denker, und mehr noch Träumer, die in jenes au- 
dela blicken lassen, wo die Seele mit Entzücken von Riithsel zu 
Räthsel rollt. Auf Zola und die andern Naturalisten, die die Aussen- 
welt, die etats des choses schilderten, folgen die Huysmans und Rod, 
die ihren Blick auf die Innenwelt, auf die etats dßimes richten, unter 
Verzicht auf jede Fabel, desto exakter das seelische Leben, die ruhelos 
wogenden Sensationen complicirter Individuen zu schildern suchen. 
Die Leidenschaftslosigkeit macht einem intensiven, vibrirenden Nerven- 
leben, der Atheismus einer klagenden Sehnsucht nach schlichter
	        
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