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XLVI.
DAS
WESEN
ZUIDEALISMUS
für dessen Gedeihen lesen und hatten sich dazu auf der Orgel die
Abeiulinalilsinusik aus wParsifalx bestellt. Als der letzte Ton der Orgel
xierstrnnmt war, zogen sie die Rosen, die sie am Firnisstag im Knopf-
loch getragen, plötzlich aus dem Busen und kreuzten sie in der Luft
mit Dolchen, zur nicht geringen Xhrblüllung der Arbeiter und be-
scheidenen Hausfrauen, die der Frühniesse in Notre-Daine beiwohnten.
Ihre Gebete hatten Erfolg. Am Erötliiungstag, dem I0. Miirz 1892,
nahm das Lokal des Kunsthäntllers Durtu1tl-Ruel trotz des sehr
hohen Eintrittspreises über 11,000 Neugierige auf. Der grosse Magier
Peladan, ein Mann mit bleichen Zügen, schvtrarzem Bart und lang-
fluthenden schwarzen Haaren, machte, von phantastisch schwarzem
Atlascostüm umflossen, zur Erheiterung der Besucher die Honnetirs
des Hauses. Das Progrannn der Rosen -f- Kreuzer war: Alles Zeit-
genössische, jede Darstellung, welche die todte Natur, unbelebte Land-
schaft, Thiere oder Pflanzen oder ssonstigen Unsinn (4 zum Gegenstand
hätte, desgleichen alles Realistische, und wäre es technisch noch so
vollkon1n1en, das Porträt selbst, soweit es nicht an den sStil heran-
reichea, solle von der Darstellung ausgeschlossen sein. wDenn nichts
ist Ilechnik, Alles ist der Gehalt, der Gedanke, der Stile Es gelte,
Alles zu malen, was an Mythen die Welt Schönes gesehen, und
dieses Mytl1e11l1afte mit der unserm Geschlecht eigenthümlichen Zart-
heit bis zum Mysticismus zu durchdringen. Nur solche NVerke könnten
die Anzahl unserer Gefühle bereichern, uns Sensationen geben, die
wir sonst nicht erhalten. Unter den ausgestellten Arbeiten waren
Bilder, die, eher an die Kunst der alten Assyrer als an die des
modernenParis erinnerten, so unbeholfen kindlich in Linien und
Farben, so archaistisch, chaldäisch, metaphysisch. Der Eine hatte
einen Seelenflug, der Andere einen vanästhesischen Stilllllfa der Dritte
den Engel des Rosenkranzes, der Vierte eine in Ekstase versunkene
Kommunikantin gemalt; ein Schweizer, 'I'rachsel, stellte in einer
Reihe von Aquarellen die Gefühle und Leidenschaften einer Mensch-
heit dar, die 112m Intensität ihrer Empfindungen über die unsrige
hinausgehtß An den Abenden erklangen aus unsichtbarer Tiefe
Chöre aus Wagners wParsifala und Fugen von Sebastian Bach. Später
kam eine Messe von Palestrinat und eine vpastorale Chaldeenncm zur
Aufführung. Archaistische Recensi0nei1 erschienen. Der Ster11e11sol111,
wWagnerianiscl1e Komödie in drei Acten von Sar Peladztna, wurde
vorgeführt. Ad rosam per Crucem, ad Crucem per rosam, in ea, in
ers gemmatus resurgam.