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XLV.
DEUTSCHLAND
Wirkung. Der ganze technische Apparat ist von meisterhafter Sicher-
heit. Man bewundert das Handwerk und begreift trotzdem, weshalb
die Nachfolgenden etwas Anderes als Leibl ansttebten.
Ebensowenig wie das Figurenbild hatte die Landschaft das Ziel
erreicht, das den jungen vorschwebte, seitdem die Meister von Bar-
bizon auch in Deutschland sich genauerer Bekanntschaft erfreuten.
Es war ein grosser Fortschritt gewesen, als Adolf Ller, auf Schleich
zttrückgehend, an die Stelle des gemalten Baedekers der aeltern Ge-
neration das Münchener Stimmungsbild setzte. Lier war in Barbizon
gewesen. Die gewaltige Gestalt jules Dupres war an ihm vorbei-
gegangen, und seine ersten Bilder bedeuteten für Deutschland eine
Offenbarung. Mit der Abwendung vom rein Gegenständlichen, Geo-
graphischen und dem Hindrängen auf die Schilderung der heimischen
Natur in den intimen Reizen der Licht- und Luftstimmtmg ging noth-
wendig eine wachsende künstlerische Vertiefung Hand in Hand.
Einfache Partien aus der Umgebung von München, Schleissheim und
Dachau, bei Mondschein, Regen oder Abendstimmung, im Frühjahr
oder Herbst waren seine liebsten Motive. Die Strahlen der unter-
gehenden Sonne spiegeln sich in braunen, von Bäumen timgebeneil
Sümpfen, oder das Abendlicht glänzt auf Schnee und Eis, oder das
Licht der Mittagssonne kämpft mit dem Staub der Landstrasse, durch
die behaglich eine Schafheerde schreitet. Der Schweizer Adolf Siäbli
setzte sich am Starnberger- und Ammersee fest, deren mächtige Baum-
gruppen mit ihren majestätisch ernsten Silhouetten ihn besonders
anzogen. Sein Landsmann, der verstorbene Oliv Fröhlicher, der seine
entscheidenden Eindrücke durch Theodore Rousseau erhielt, malte in
der Umgegend von Dachau und Peissenberg weite Ebenen bei trüber
Regenstimmung, knorrige Eichen, die gespenstisch zum Himmel
starren, und hat, mittelmässig und falsch in seinen Atelierbildern,
männlich kräftige Studien hinterlassen, aus denen köstlicher Waldes-
duft erfrischend entgegenweht. fosef Werzgleln zeigte das breite flache,
versandete Bett der Isar bei Toelz, den Kampf der Sonne mit den
aus Wiesen und Mooren aufsteigenden YVasserdünsten, die waldigen
Hügelrticken, die das Flussbett begrenzen, und die zarten Silhouetten
des oberbayerischen Gebirges, die in flimmerndem Silberduft in der
Ferne auftauchen. Der arme lebendig begrabene Louis Neubert liebte
die Lyrik der Oede: schweigsame Küsten, wo ermüdete Wellen sich
zur Ruhe legen, schwarze Herbstnächte, wenn die dunkeln Weiden
schlafen und rauschende Wogen ihnen das Schlummerlied singen.