XLV.
DEUTSCHLAND
497
und ihre Bilder erregten in Paris den meisten Beifall. Doch der
Berichterstatter der Gazette wies auch bei ihnen mit Recht darauf
hin, dass sie nur eine Durchgangsphase zur Modernität bezeichneten.
Das hingebende Studium der alten Meister hatte dazu verholfen,
wieder malen zu lernen, nachdem bisher nicht die Malerei, sondern
die Fabel in erster Linie gestanden aber zum Schluss war Alles
holintmgslos gut gemalt, ohne dass dadurch die Kunstgeschichte
einen Schritt vorwärts kam. Man verstand das Gewand der Alten
meisterlich zuzustutzen, formengexvandt zu drapiren, Eirbenüeudig zu
besetzen, aber es war doch ein altes Gewand, das trotz künstlicher
Auffrischung nicht schöner wurde als es neu gewesen.
Mit Menzel hatte die Schilderung des Wahren, des motiernen
Menschen begonnen. Er bildete in jenen Jahren eine Enclave für
sich. Ganz positiv und scharfiiiigig, fand er seine Rechnung tiberall:
in den Salons. auf den (öffentlichen Promenaden, in den Menagerieen
und Arbeitsräumen. Er erzählte nicht, fügte nichts Humoristisches
bei, er beobachtete nur. Und doch lag auch in seiner Art noch ein
gewisses genrehaft novellistisches Element, eine Neigung nach der
raisonirendeii Seite. Er beobachtete die Phjgsiognomien und Stellungen
seiner Mitmenschen mit den Augen Hogarths, das Ceremoniell der
Galas Wirkt, Wenn er davon berichtet, mehr plebejisch als vornehm;
das Vergnügen in den Badeorten hat, von ihm angeschaut. eine fast
traurige Komik. Er War ein kalter Analytiker. der scharf Durchdachtes
scharf accentuirte und präcisirte, aber es fehlte ihm noch die Zärt-
lichkeit, die Erregung, die Liebe. Etwas Satirisches liegt in der Art,
Wie er unterstreicht, etwas Herzloses in dieserüberlegenen Ironie,
die kaum vor hilflosen Kindern _und wehrlosen Frauen die Waffen
streckt. Wenige haben schärfer ihren Mitmenschen in die Seele ge-
schaut, aber immer steht er unnahbar über ihnen, benutzt sie nur
zur Anfertigung geistreicher Epigramme.
Mit Leibl hatte nach diesem pikanten Feuilletonstil Menzels die
deutsche Malerei einen Weitern Schritt in der Richtung der Einfachj
heit viorxxrärts gemacht. Sie interpretirt nicht mehr im Sinne des
Pointirten, sie betrachtet und malt. Sie malt sehr gut, malt mensch?
liche Körper und Kleidungsstücke bis zur Illusion genau nach, sie
malt Alles, was man berühren kann, mit einer Naturtretie, dass man
die Hand darauf legen möchte. Die ganze Einwohnerschaft Aiblings,
Jäger, Bauern, Weiber, erscheinen in Leibls Bildern als beängstigende
Doppelgänger der Natur, in einer Aehnlichkeit von niederschlagender