XLV.
Deutschland.
M längsten brauchte Deutschland, den alten Adam, obwohl er
A weder recht französisch, noch recht deutsch gewesen war,
auszuziehen und der grossen, Europa überl-luthentlen Strömung
sich anzuschliessen. Noch im Jahre 1878 konnte die Gazette des
Beaux Arts, der beste Werthmesser der europäischen Kunstleistungen,
in ihrem Bericht über die Pariser NVeltausstellung das Urtheil über
die deutschen Säle in die Worte zusammenfassen: wElD paar Künstler
ersten Ranges und zahlreiche Talente, sonst steht die deutsche Malerei
noch auf dem Niveau der Schulen, die bei uns vor dreissig Jahren
blühten die einzige, die daran zu zweifeln scheint, dass das Zeit-
alter der Eisenbahnen und der Weltausstellungen auch eine andere
Kunst als das der Philosophie und kleinstädtischen Abgeschlossenheit
brauchex. Man hatte den Zopf, der früher anderswo Mode war, so
lange getragen, dass man ihn nun pietatvoll anationaldetitschen Stile
nannte. Es war dem Gedächtniss entschwunden, dass die Historien-
malerei 1842 von Belgien importirt ward, wohin sie 1830 von Paris
gekommen. Sie war im Laufe der Jahre eine so liebe Gewohnheit
geworden, dass wir an ihr fegthielten, wie an einem nationalen
Banner, und Vereine gründeten, um der anderwärts Begrabenen in
Deutschland eine Altersversorgung zu bereiten. Es war vergessen.
dass das anekdotische Genre im Beginne des Jahrhunderts von Eng-
land gekommen und dort, wie in Frankreich, nur ein Mantel für die
Verdeckung künstlerischer Schwächen oder eine Abschlagszahlung
für ein zur Kunstbetritchtting noch nicht erzogenes Publikum gewesen.
Nachdem anderwärts die Phase des gemalten Geschichtchens über-
wunden, war es so hübsch, Gemüth und Humor als speciüsche Mit-
gift der Deutschen preisen zu können.
Die Münchener Kostümmaler vom Schlüsse der 70er .Jahrc
hatten den für Deutschland wichtigen Schritt gethan, an die Stelle
der gemalten Historie und gemalten Anekdote Malerei zu setzen,