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XLIV.
AMERIKA
ruhen, und eines seiner Bilder eine junge Dame in schwatrzer
Seide, die vor einer silbergrauen Wand am Piano sass hatte in
seinen vornehmen grauschwarzen Tonwerthen etwas von der prickeln-
den, chevalereslten Verve, die sonst nur bei Orchardson zu finden.
julius Rolshoven, der nach längerer T hätigkeit in Italien heute in
Cincinati lebt, hatte Bilder aus Venedig ausgestellt: Mädchen, die
beim Klang des Avemaria vor der Statue der Madonna knieen, An-
sichten vom Dogenpalast oder von Chioggizt, und auch in diesen
Bildern war nichts von dem sonnigen Lichtspiel, das die modernen
Italiener über" solche Scenen breiten, mächtige, grün-blaue Töne
rauschten in dunkelm, feierlichem Ernst daher.
Mit dem feinsten Verständniss hatte William Merrit Cizase den
symphonischen Harmonien des grossen Magiers NVhistler gelauscht.
Chase galt schon in den 70 er Jahren als einer der originellsten unter
den jüngern Pilotysehtilern, und Arbeiten von ihm aus jener Zeit
wie der Hofnarr und die rauchenden Strassenbuben waren gute Genre-
bilder in deutschem Sinn. 1883 überraschte er durch das leben-
sprühende Porträt des Malers Frank Duvenek, der die Cigarre rauchend,
mit amerikanischer Nonchalance rücklings auf einem Stuhle sass;
durch das Porträt von F. S. Church und durch feine Landschaften
venezianische Cztnalbilder und öde, amerikanische Felspartien. Aus
dem Pilotyschtiler war damals ein kecker Hellmaler geworden, der
in weissestem Sonnenlicht schwelgte. In den zehn Jahren, die seit-
dem vergingen, führte Velazquez, den er in Spanien copirte, und
Whistler, bei dem er in London war, ihn von der Hellmalerei weiter
zu jener Tonschönheit, nach der heute allenthalben in Europa das
Streben der vorgeschrittensten suchenden Geister geht. Der gegen-
wärtige Director der vArt Students Leagea malt, wenn es ihm be-
hagt, in einem sehr graziösen, feinen Grau, wie in der Parkscene
wZWCi Freundea. Er ist hell und duftig, wenn es elegante Kinder
zu malen gilt, schlanke Mädchen mit braunem Lockenhaar, die in
blendendes Weiss gekleidet, in grünen, sonnigen Ebenen promeniren,
am Bassin spielen oder im Zimmer über bunte Springscliiiuren hüpfen.
Er schwelgt als Landschafter in. tiefen schottischen Farbenaccorden
und erscheint düster-mächtig in dem Porträt Whistlers.
Amerika hat also eine Kunst. Selbst die in der Heimath Thiitigen
zeigen weniger nationalen Accent als etwa die Dänen oder Holländer
und können ihn nicht haben, weil Amerikas ganze Cultur weit mehr
als die der andern Völker sich dem internationalen Weltverkehr öffnet.