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XLIII.
Russnmn
Auf den letzten Ausstellungen machten einige Historienbiltler
von ihm Aufsehen. Nachdem die russische Malerei durch die
Schule des Lebens gegangen und an die Stelle der classischen Ab-
straction kühner Naturalismus getreten, konnte man auch wagen,
ohne Lüge und "fheatercostüm die einheimische Geschichte zu be-
nutzen. Den ersten Versuch in dieser Hinsicht hatte Tschistjalaow
mit seinem Bilde wsophie Witotownm gemacht. In den sechziger
Jahren trat der früh verstorbene Schwartz mit seinen energischen
Darstellungen aus dem I6. und 17. Jahrhundert hervor. Jacoby
suchte die historische Physiognomie des russischen Hoflebens im
I8. Jahrhundert zu trelfen. Der Portriitmaler Gay hatte mit seinem
wPuSChkina und WIPCICY 1.x Erfolg. Surikow schuf seine wBojarin
Norosowaq und die sHinrichtung der Strelitzena, düstere, echt
russische Bilder, die von ernstem Einleben in die Vergangenheit
zeugten. Doch Repin liess auch auf diesem Gebiete alle seine Vor-
gänger hinter sich, griff am energischsten und freiesten in die Ver-
gangenheit hinein, brach am schroffsten mit jedem zahmen Com-
promiss und beschwor längst vergangene Dinge mit furchtbarer
Ueberzeugungskraft wie etwas Gesehenes und Miterlebtes herauf.
Sein wlwan der Grausame, der seinen Sohn im Jiihzorn erschlagenw,
machte auf der Ausstellung ISS; solchen Eindruck, dass das Publikum
haarstriiubelitl davorstand und Damen ohnmächtig weggebracht
wurden. An die besten modernen spanischen Historienbilder könnte
erinnert werden, nur dass Repins Werk noch düsterer, elementarer.
barbarischer wirkt. Ein alter Mann mit blntbespritztem Gesicht
und wilden von Verzwveillung entstellten Zügen kniet am Boden in-
mitten einer weiten Kremlhalle; die Augen quellen, im Entsetzen
vergrössert, aus den Höhlen und starren in das Nirwana der Ge-
wissensquail; in den Armen hält er eine zusammenbrechende Jüng-
lingsgestzilt, über deren blutüberströmtes Antlitz der Tod seinen
schaurigen Schatten wirft.
Sein Bild der wKosaken, die dem Sultan auf seine Forderung,
sich zu ergeben, eine Spottantwort schiekena, ist ein Compenditlm
prächtiger Landsknechtsköpfe, eine Sammlung Gogofscher Kraft-
gestalten, die Wirklich aus Fleisch und Blut, aus barbarischem Mark
und Bein bestehen. Keine brillante Stoffmalerei ist angestrebt, keine
Anmuth in Linienführung und Composition. Die Historienmalerei
dient ihm nur dazu. Naturmenschen in ihren ursprünglichen LeidenJ
schaften zu schildern. Sein Bild des heiligen Nicolaus, der die Hin-