Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

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XLIII. 
RUSSLAND 
hatis übergeführt. Nachdem sie den elementaren Unterricht genossen, 
traten sie, elf bis dreizehn Jahre alt, in die höhere Schule ein. Da 
wutrden sie sechs Jahre lang zu Künstlern gedrillt und endlich in's 
Ausland geschickt, wo Mengs und David im Zenith ihres Ruhmes 
standen. In Petersburg waren die jungen Russen mit der Knute 
gezwungen worden, sich in orientalischen Ehrenbezeugungen vor 
Poussin und den Bolognesen zu verneigen". In Rom angekommen, 
übertrugen sie ihre sklavische Ehrerbietung auf die beiden jüngeren 
Malerfürsten. So hielt der Mengs-Davidsche Classicismus  stil- 
volle Langeweile und eiskalte Steifheit  auch in Russland seinen 
Einzug. Fix und fertig, wie eine neue Minerva, mit Diplomen be- 
Waffnet und in akademischer Uniform, steigt die russische Kunst zur 
Erde. Man gab sich gegenseitig den Titel eines russischen Poussin, 
Carracci, Rafael und  was für das Höchste galt  Guido Reni; 
malte Jupiter, Achilles, Odysseus, Herakles, Sokrates, Priamtis  
wächserne mit Titusperrücken und gelbblatien Togen versehene 
Puppen, die sich majestätisch in hungrigen Valencienneslandschaften 
bewegen. Alle diese Erzeugnisse der Egorozu, Ilgr1?1n0zu und Andreas 
Iwzznow, die zu Lebzeiten gefeierte Künstler waren  blicken heute 
traurig und dumm von den Wänden der Eremitage herab, gleich 
abgemagerten und reducirten Helden des Cornelius. Sie waren sämmt- 
lich nüchterne, steifleinene Gesellen, die mit griechischen und röm- 
ischen Namen erschrecklichen Missbrauch trieben und in die heitere 
antike Welt mit stumpfen Mongolenaugen hineinglotzten. Nur Graf 
T lzeodor Tolsfoi, der Medailleur und Bildhauer, bezeichnet in der Wüste 
des russischen Classicismus eine ähnliche Oase wie in Frankreich 
Prudhon. Seine Illustrationen zu der von Bogdanoxixiitsch besorgten 
Uebersetzung des Psychemiirchens nehmen an Grazie, Anmuth und 
aristokratischer Eleganz gleich die erste Stelle nach Prudhons Zeich- 
nungen ein. Er ltümnaerte sich nicht um akademische Formeln, imi- 
tirte nicht, sondern fühlte griechisch; frisch und zart, nicht steif formal- 
istisch sind seine Compositionen. Als echter Maler der Epoche lebt 
lediglich Orest Kzlbrelzslry fort, ein farbenfreudiges, naives Künstler- 
gemüth, das nicht an Rafael, Poussin und Mengs, sondern an Rubens 
und van Dyck sich begeisterte. Wenn man in der russischen Ab- 
theilung der Eremitage auf Kiprenskys Porträt seines Vaters stösst, 
 einen alten aufgedunsenen, rothbackigen Herrn mit glotzenden 
Augen, der im Pelz, einen Stab in der Hand, breitbeinig dasteht  
glaubt man einen Rubens mitten tintei" graulangxxreiligen Classicisten
	        
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