Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

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XLII. 
NORWEGEN 
tiefer Treue und Ernsthaftigkeit ein Batiernbegräbniss: Auf einem 
gras- und krautüberwachsenen, alles Schniuckes baaren Kirchhof, 
über dessen Mauer der Blick auf Baumkronen und weites, grünendes 
Gelände fiel, standen hemdärmelig einige Bauern, Hacke und Schaufel 
in der Hand, mit denen sie soeben ein Grab geschlossen. Ein junger 
Mann, ohne besondere Amtstracht, las ein Gebet vor. Keinerlei Er- 
regung, kein Ton des Schmerzes ward laut. Die grossen robusten 
Gestalten haben gethan, was Christenpfiicht fordert, nun geht jeder 
wieder an die gewohnte Arbeit. Eine stille, warme Sommerluft zitterte 
über die Hügel und lag kosend auf der stillen Gemeinde. Nebenbei 
ist xVerenskiold ein vorzüglicher Portratmaler, und seine Bildnisse 
Kitty Kiellands, des Musikers Edvard Krieg {und des Dichters Björn- 
son gehören in ihrer schlichten Einfachheit zu den besten der nor- 
wegischen Kunst. Das Björnsons war vielleicht ein wenig forcirt 
oder zeigte wenigstens nur die eine Seite von Björnsons Individuali- 
tät: den grossen Agitator, den Volkstribun, dessen Namensnennting 
 nach Brandes  das Aufhissen der norwegischen Nationalliagge 
bedeutet. Man fand in diesen harten Augen, diesen geschlossenen 
Lippen, dieser kühnen, concentrirten Energie nicht den zarten sensi- 
tiven Poeten, den edlen, warmherzigen Freund. Doch das alles sind 
auch nicht die Werke, die Werenskiolds ganze Bedeutung zeigen. 
Völlig er selbst ist er nur mit dem Bleistift in der Hand. Die 
Märchen von Andersen, die Erzählungen von Chr. Asbjörnsen und 
jorgen Moe, die von Gyldendalsk in Christiania mit Zeichnungen 
von WVerenskiold veröffentlicht wurden, enthalten das Beste, was die 
Illustration in Norwegen leistete  Blätter, die in ihrer bizarren 
Verbindung von Elfenphantastik und Bauernhunior ganz wunderbar 
den Ton des nordischen Märchens treffen. XVerenskiolti macht 
glauben, was er will. Man möchte meinen, dass in ihm selbst die 
naive Seele der alten Zeiten lebe, mit solch überzeugender Naivetat 
hat er dem Unmöglichen und Unsichtbaren den Ausdruck der YVahr- 
scheinlichkeit gegeben. Feen und Ungeheuer, er hat sie durch die 
Steppen und Haiden wallen, Riesen und xierzauberte Prinzessinnen, 
er hat sie hausen sehen auf ihren uralten Burgen. Die Wirklichkeit 
und das Traumleben, er beherrscht beide gleichmässig, so dass er 
mit Zauberkraft in seine magischen Kreise zieht. Schwarz und weiss 
genügt ihm, das Licht alle seine Geheimnisse sagen zu lassen. Das 
Innere der Bauernhütten wie die grosse freie Natur, sie sind in 
wenigen Strichen mit der ganzen Kraft des Realismus gegeben, und
	        
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