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XLII.
NORWEGEN
Eilif Petersen und Clzrisfiazz Slcreds-vzlg zeigen die norwegische Kunst
von dieser milderen Seite. Unter der rauhen Schade ist ein weicher
Kern, unter der anscheinenden Brutalität eine grosse Zärtlichkeit, etwas
Undefinirbares, etwas wie die Liebe des Schweigens. Corot wnrr in
Paris Skretisvigs grosses Ideal gewesen. Er durchzog die Normandie
und malte neblige, trübe Herbsttage von tiefer, melancholischer
Stimmung. Er ging nach Corsika und sah dort blumige Wiesen,
weltverlorene, trauliche Winkel, wie sie noch Keiner in der kalt
majestätischen Natur des Südens bemerkt hatte. Seine Johannis-
nachta, 1887 im Pariser Salon ausgestellt und später von der Kopen-
hagener Galerie erworben, war sein erster Hymnus auf die stille
Grösse nordischer Landschaft. Ein Kahn gleitet über den Spiegel
eines stillen Waldsees. Der Fahrmann hat, um seine Pfeife anzu-
zünden, die Ruder aus der Hand gelegt, so dass ltein Wellenschlag
den ruhigen Spiegel des Sees stört. Ein Mann hinten spielt die
Harmonika, zwei Mädchen lauschen. 10 Uhr Abends. Die leichte
Dämmerung des Sommers, die süsse Magie der Nächte des Nordens
hat über Alles ihre weich-bläuliche Klarheit gegossen. Durchsichtig,
körperlos steigen die Gebirgshöhen im Hintergrund auf, in hellem
Graublau, wie ein abendlicher Wolkenzug. Niemand spricht ein
Wort, das Boot zieht ruhig, unhörbar seine Bahn, nur die Laute der
Harmonikzi ltlingen vom Nachtwind getragen in silbernen Accorden
über die stille, leicht aufschauernde Fluth. Alles liegt in einer Art
traumhaften Halblichts, und der See gibt im Spiegelbilde die Scene
noch einmal wieder, abgetönt und gedämpft wie ein Echo. Das Ganze
ist einzig in seiner Einsamkeit, Ruhe und Frische. In München er-
freute Skredsvig 1891 durch zwei Werke. Auf dem einen, das er
sFClCFZIlDCIJLlK nannte, spielte vor dem Blockhause ein Bauer, die
Hände in den Taschen, mit der Katze im Grase, die ihm zu Füssen
kauerte. Das ltlingt in Worten beschrieben fast genrehaft. Aus dem
Bilde entwickelte sich nur der Duft von YVieseuheu und Feldblumcn,
das Gefühl abendlichen Friedens. Die vWHSSCFllllCHK, das zweite XVerk,
hatten an schlichter lyrischer Poesie nicht ihres gleichen: Drei
bleiche Seerosen auf ruhigem Wasser bei Abenddämmerung, nichts
weiter. Daraus hatte Skredsvig ein Stimmungsbild geschaffen von
einer Empfindungstiefe, wie sie die Alten nicht kannten. Sein letztes
NVerk muthete ein wenig befremdentl an. Uhde und Soeren Kierke-
gaard hatten bei seinem wChristus als Krankenheilera Pathendienste
verrichtet, und Skredsvig war noch weiter gegangen als Uhde, in-