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XLII.
NORWEGEN
in seiner wahren Farbe, ohne Verschönerung, ohne jedes Suchen nach
aStila, das ist das klare, sehr realistische Ideal der jungen Maler.
Niels Gustav Wenzel, jörgensen, Kolstoe und Christian Krohg
heisst das vierblättrige Kleeblatt der norwegischen Fischermaler.
W enzel, der von der Heimath direct nach Paris gegangen war,
erregte allgemeines Entsetzen, als er in Christiania seine ersten rück-
sichtslos naturalistischen, in der Lichtwirltting Etst brutalen Bilder
ausstellte. Das eine, der sMorgena, zeigte eine Anzahl braver Leute
um einen Tisch gruppirt, in der Stunde, wenn der blaue Tag mit dem
Licht der Lampe kämpft. Dieses Licht war so schneidig gemalt,
dass die Figuren geradezu an (den Gesichtern gelbe Ränder hatten.
Rings standen altväterisch ungeschlachte Bänke und Schränke, grob-
klotzige feste Stühle, die aussahen, als hätten sie seit Jahrhunderten
unverrückt am gleichen Platze gestanden und einst schon einem
untergegangenen Geschlecht von stärkeren, grösseren Wesen zum
Gebrauche gedient. Durch Fenster und Thür sah man auf Block-
häuser und auf eine norwegische Hochlandscenerie hinaus. In einem
zweiten Bilde, dem aConiirmationsgelagex, erregte er fast Mitleid mit
diesen armen Leuten, deren Leben selbst bei Festlichkeiten so still
und poesielos verläuft.
förgensen hat ebenfalls eine schwere Hand, berichtet aber ernst
und sachlich über das Leben der Arbeiter ohne Arbeit, über diese
Männer, die gedankenlos vor sich hinstarren, diese Frauen mit ihren
ermüdeten Gesichtern, und dies kalte Licht, das lieblos all die Armuth
in den kleinen Zimmern beleuchtet.
Kolstoe experimentirte schon bei Lindenschmit stark in Licht-
malerei, malte dann in Capri Landschaften, in Paris Lampenlicht-
Studien von grellster Ehrlichkeit. Heute sitzt er in Bergen. und seine
Fischer sind gross und phantastisch wie Könige des Meeres.
Der eigentliche Kraftmenscli unter diesen Fischermalern ist der
als Schriftsteller und Künstler gleich wuchtige Christian Krolzg. Er
ist heute 40 Jahre alt und erst, nachdem er 1873 das Referendar-
examen gemacht, zur Malerei gekommen. Gude hatte ihn nach Karls-
ruhe gezogen, wo er bei Gussow eintrat, und als dieser nach Berlin
berufen wurde, folgte er ihm auf drei Jahre dorthin. 1880 war er
in Paris, wo der Naturalismus in Kunst und Literatur, Zola und Roll,
auf ihn wirkten. Mit diesen Anschauungen kehrte er nach Christiania
zurück. Krohg ist ein Naturalist von oft brutaler Sachlichkeit, ein
Maler von starker, herkulischer Kraft. Er sucht die Wahrheit, die