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XLII.
NORWEGEN
leuchtete. Auch ein zartes, weich verhallendes Frtihlingslied dichtete
er: mit blüthenschxxieren rosa Zweigen. die sich über grünendes Berg-
gelände senkten, während fern, jenseits des blauen Sees noch weiss-
glitzernde Schueefelsen zum klziren Himmel emporstiegen. Es lag
ein seltsamer Stimmtmgszauber in diesem Gegensatz zwischen Frost
und Blüthe: als Stiege ein leiser Hauch würziger Düfte von einem
Schneefelti auf, oder als tönte plätscherndes Rauschen eiskalter Berg-
bäche durch laue Frühlingsltift. Doch im folgenden Jahr erschien
er wieder mit Boecklinschen Phantasien, die nur an läoecklin, nicht
an Sinding erinnerten. Der künstliche Schliff hat ihm das Unmittel-
bare genommen. Er ist ein "Fztlent. das seine Fühlhörnei" in Alles
steckt und sie tingezwtingen wieder herauszieht, eine Natur, als deren
Gabe sich Lmverdrossene Empfänglichkeit und als deren Fehler sich
Unbeständigkeit erweist.
Fast alle andern stehen fest auf dem Boden ihres Landes, nicht
nivellirt von fremdländischei" Ktiltur. durchaus ihres Heimathlanties
Kinder. Selbst in drei durch Abstammung. Religion und Sprache
eng verbundenen Ländern wie Dänemark. Schweden und Norwegen
brachte das moderne lndividualitätstarincip ganz verschiedenartige
Werke hervor. Erscheinen die Dänen weich und sinnend, ver-
schwommen und nebelhaft, die Schweden elastisch. elegant und
grossstädtisch rafiinirt. so wirken die Norweger eckig. schroff und
bestimmt. Ein ähnlicher Unterschied wie zwischen den drei Dia-
lecten: Lebendig, schwungvoll, pariserisch klingt die Sprache des
Schweden, weich, lispelnd und singend die des Dänen. klar, einfach
und sicher das Norxxtegische, das doch geschrieben mit dem Dänischen
und Schwedischen beinahe sich deckt. Bei den Dänen herrscht
provinzielle (Jemüthliclwlteit und liebevolle Zartheit, bei den Schweden
weltniiiiniischel" Schliff, kokcttes Rklfllllüllltlllt und städtische Grazie,
bei den Norxxfegern robuste Kraft, etwas Asketisehes, Aufriehtiges,
brüsk Herzliches.-ei11e ernsthafte tarunklose Ehrlichkeit. Man merkt,
dass man in einem Lande ist, wo eine rauhe, klar gesiite Bevölkerung,
ein Volk von Fischern und Bauern lebt. Stockholm ist das Athen,
Christiania das Sparta des Nordens, Norwegen der grosse Fischkasten
Europas. Seine hauptsiiclxliclasten sind die Pro-
dukte des Meeres: Dorsch, Idiiring, Fischguannv und Leberthran. In
keinem Lande der Erde hat der Mensch schwerer mit der Natur zu
ringen. Darum erscheinen auch diese Leute alle so eisern, so still,
unbeugsam und gelassen. Diillülllälfii ist ein wohlhabcndcs Land, seine