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DÄNEMARK
Bodens. Der Reiz dieser dänischen Natur besteht nicht in pracht-
vollen Farben und grossen Conturen. Alle Linien sind sanft ge-
bogen, Weich in jeder Form, ohne grosse Abwechslungen oder Ueber-
raschungen. Selbst in den schönen Waldungen rings um Kopen-
hagen runden sich die riesigen Buchen so harmonisch, dass sie
eher die Empfindung der Sanftheit als der Kraft geben. Die Natur
entspricht gewissermassen der dänischen Sprache, die ebenso mild,
discret, fein und schwunglos ist, wie die Linien des Landes. Der
Däne kennt kein breites Lachen, sondern nur ein Lächeln, keine
urwüchsige Ausgelassenheit, nur ein Stillvergnügtsein. jedes laute
Gebahren gilt als unfein. In dem grossen Vergnügungsgarten von
Tivoli bewegen Tausende von Menschen sich mit einem Anstand
und einer Stille, die fast etwas Unheimliches hat. Niemand ruft;
wer mit seinem Nachbar spricht, flüstert unhörbar. Auf der Strasse,
den öffentlichen Promenaden, den Restaurants überall wird nur
im Flüsterton gesprochen. Auch die dänische Landschaft kann nur
flüstern, nicht schreien; nur lächeln, nicht lachen. Sie kennt nichts
Brutales, nichts Abgerissenes, nichts zu Grosses, keine brüsken Ueber-
gänge, keine plötzlichen Unterbrechungen sondern nur weite
Flächen mit unbestimmten, verschwimmendeii, fast ungreifbaren
Linien, sanftes, welliges Gelände, das unmerklich am Ufer des Meeres
aufhört oder in sanften Senkungen sich um stille Waldseen windet.
Es gibt, ausscr in jütland, keine eigentlich herben, rauh urwüchsigen
Gegenden, aber Alles ist abgelegen, einsam und ruhig. Zuweilen
sieht man ein niedriges, weiss angestrichenes Häuschen, dessen
Strohdach im Sonnenschein glänzt oder in der Dämmerung zart
bläulich Himmert. Die Atmosphäre, in Holland feucht und neblich,
ist in Dänemark von einer kühlen Frische, die Vegetation, dort fett
und üppig, hier von einem weichen, gedämpften, ein wenig bleich-
süchtigen Grün. Selbst der Sonnenaufgang und Sonnenuntergang
hat nichts Eifektvolles, Pathetisches wie in Norwegen, sondern etwas
Unentschiedenes, Beruhigendes, Mysteriöses. Der Künstler, den eine
solche Natur umgibt, wird leicht nachdenklich und träumerisch wie
sie, seine Bilder bekommen denselben leicht rhythmischen, gedämpften
Charakter. Und thatsächlich geht durch die Mehrzahl der dänischen
Landschaften ein Hauch jener sanften Melancholie, die an Cazin ge-
mahnt. Das ist nicht Reminiscenz und nicht Plagiat, sondern die
natürliche Verwandtschaft mit dem Maler, der in Frankreich am"
besten den Charakter der nordischen Ebenen malte, ihre feuchte