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DÄNEMARK
keit mit sympathisch weiblichem Blick für Menschen und Dinge ver-
eint. Die Kopenhagener Galerie besitzt eine Begräbnissscene. Der
mit grünen Kriinzen behängte Sarg, die roth getünchte Stube und
die Leute, die da so ernst in ihren blauen Kitteln herumstehen, wie
einfach ist das und schlicht zugleich. Auf der Münchener Ausstellung
1892 hatte sie eine Studie 2111 der Morgensonnea: eine blziugetünchte
Stube mit lustigen Sonnenstrahlen, die zum Fenster hereinflutheten
und Wie leichter Goldregen auf den blau getünchten Wänden, der
gelben Diele und den blonden Haaren eines Mädchen spielten. Alle
ihre Bilder sind Werke von Weicher Zartheit und süssem Licht. Die
Ausführung ist derb und männlich. Nur in kleinen Zügen, in feinen,
niedlichen Beobachtungen, die einem Manne Wahrscheinlich entgehen
würden, verräth sich, dass es Werke einer Dame sind.
Michael Ancher ist Iojahre älter als seine Frau und der eigent-
liche Schilderer des grobknochigen und grobkörnigen dänischen
Fischergeschlechtes, das oben an der Nordküste des Inselreiches in
harter Arbeitidem Meere seine ltärgliche Nahrung abtrotzt. aFiSChCf,
die im Gewitter die vorbeisegelnden Schiffe beobachtena nannte
sich das erste grössere Bild, mit dem er 1876 hervortrat. Auf der
steil abfallenden Düne hat sich eine Anzahl Fischer versammelt, um
nach den Fahrzeugen auszuschauen, die draussen auf der See vom
Sturm gepeitscht Werden. Einige nur mit Oelhose und Wollhemd
bekleidet, stehen aufrecht und ihre grosse Silhouette zeichnet sich
scharf gegen den düstern, von schweren schwarzen Wolken durch-
fegten Himmel; andere haben auf dem Weichen Flugsand sich nieder-
gelegt. Die Farbe hatte noch etwas Trockenes, Nüchternes, aber
die ehrliche, wuchtig einfache, fast asketisch derbe Naturauffassutig
kündigte schon den kraftvollen Meister an, der heute als der Ulysse
Butin Dänemarks, ein entfernter Vetter jener handfesten, schlicht
reehtschaffenen Proletariermaler dasteht, die in Paris um Alfred Roll
sich schaaren. Michael Ancher kennt die See und die Arbeiten der
Fischer, die die Hände schwielig, die Gesichter braun machen, und
berichtet darüber in seinen Bildern mit der Sachlichkeit des alten
Seemannes. Alles ist klar bei ihm, präcis, nüchtern, wie das fahl-
helle Tageslicht. Den grobhändigen, derbknochigen Stoffen entspricht
die breite plebejische Mache, die nach keinen malerischen Reizen
fragt, sondern ehrlich und sachgemäss den Vorgang darstellt. Anchers
Menschen sind wirkliche Fischer, jede Gestalt ist von unheimlichem
condensirtern Leben, die atmosphärische Stimmung stets Wahr und