DÄNEMARK
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Empfindungen reizbarer, in seinem Organismus feinfühliger sich ent-
wickeln, als eines, das zwischen Bergen und rauben Felsklippen
wohnt. Der Duft und Klang dieser seltsamen weichen Natur macht
die Nerven vibrirender, zarter. Hast du Jacobsen gelesen? Erinnerst
du dich der Gestalten von Niels Lyhne und Mogens und Marie Grubbe,
die so weich und träumerisch hingebend sind, die so haltlos halb der
Wirklichkeit, halb verschwiommenen Nebelbildern leben, die so viel
zarte, überzarte Empiindtmg haben und sofort fallen, sobald eine
rauhe Hand sie aus ihrer Sphäre herauszieht. Erinnerst du dich der
Verse, die Mogens leise vor sich hinsummt:
In
In
Sehnen leb
Sehnen.
Derselbe geheimnissxiolle Duft, den die YVerke jacobsens haben,
jenes traumhaft sich V erlierende, Zerrinnende, im Nebel Verschwim-
mende, das an die weichen Uferlinien von Seelantls Küsten mahnt,
ist auch der dänischen Kunst zu eigen. Auch sie hat etwas seelisch
Verschämtes, ein unendliches Bedürfniss natch dem, was zart und fein
ist, etwas seltsam Insichgekehrtes, Zaghztftes, Zauderndes, schmelzend
Muthloses, jung Harmloses und doch Thriinenschimmernties, eine
Sehnsucht, die wie Wehmuth ist, eine Entsagung, die sich in stillen,
schmerzlich süssen Elegien Luft macht. Auch sie meidet den kalten,
klaren Tag, die indiscrete, entschleiernde Sonne. Alles ist eingehüllt
von weichem, gedämpftem Licht, Alles geheimnissvoll, schweigend,
in freundlich wehmtithigen Träumen schweigend. Verschwonnnene
Landschaften sind dargestellt in nebelverlorenen Linien, mit un-'
bestimmten Tiefen und leisen Tönen. Oder dunkle Vvblinzinnncr,
in denen Thee auf dem Tische steht und stille Leute sich in Stühle
zurücklehnen. Im Ofen brennt das Feuer mit gedämpftem, behag-
lichen Schnurren. Auf dem Tisch steht die Petroleumlampe und
erfüllt den Raum mit mildem Diiinmerschein. Der bläuliclie Rauch
der Cigarren mischt sich mit dem röthlichen Schein des Kaminfeuers,
das seinen Widerschein auf den Teppich wirft, während von draussen
leise Regentropfen gegen die Fensterscheiben schlagen. Von welch
altmodischer Zierlichkeit sind diese Möbel, diese grossen Tische
aus Mtthagoniholz und kleinen Secretiire auf dünnen, geschnörlaelten
Beinen. Das sind nicht Möbel, die dumm und gleichgültig dastehen,
sondern ererbte, gepflegte Möbel, eng verwachsen mit dem Dasein
der Menschen. Wie gemüthlich, zutraulich sehen sie zu, wenn die