XXXIX.
HOLLAND
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als Künstler etwas ganz Persönliches zu sagen hat. Einzelne seiner
Radirungen ragen an Tiefe des Naturgeftihls, classischer Einfachheit
und suggestiver Kraft itst an Rembrandt heran. Sie zeigen einen
Maler, der mit erregtem Auge, fast religiöser Warme, die geringsten
Dinge, ein Stück XVäsche, das Gras in der Sonne, das Gelbblond
des Meersandes betrachtet. NVie nett sind diese Kleinen, die am
Meere mit Papierschilfchen spielen. Wie ist die gefährliche See an
diesem Morgen ein ruhiges mildes Element. Und mit wie einfachen
Mitteln ist doch der Eindruck der tinermesslichen Ausdehnung
erreicht. Mit wenigen Strichen weiss er die feuchtklare Atmo-
sphäre und die zarte Tönung des Himmels zu geben. Sonnen-
durchgliinzte Strandpartien wechseln mit schattigen Stuben, die
mächtigen Silhouetten knochiger Seeleute mit zart hinskizzirten
Fischerkintlern. liine Bäuerin sitzt am Meeresufer vor den ruhigen
XYogen, eine andere arbeitet in ihrer Hütte, in der es eben anfängt,
diimmerig zu werden, ein Kind liegt in der YViege, eine runzliche,
stille, alte Frau, in weiches Dunkel gehüllt, wvärmt sich am Ofen
die müden Hände. Alle Bliitter sind iiusserst geistreich, bald leicht
improvisirt, capriciös und gewollt, bald ausgearbeitet, gefeilt und ge-
rundet, immer aber persönlich, malerisch, frei, die Geste und den
Ausdruck mit souveräner Sicherheit gebend. Josef Israels ist nie
zurückgegangen, liess nie sich vom Kunsthandel umgarnen, ist immer
grösser geworden, und dieser charaktervollen Selbstkritik verdankt
er, dass er noch heute als anerkanntes Haupt der holliintlischen
Malerei dasteht.
In ihm verkörperte sich die Kraft des modernen Holland. lir ist
der Bahnbrecher gewesen, nicht nur für Stoffe, 'I'echnil; und Farbe;
auch an Vielseitigkeit reicht keiner derjüngeren an ihn heran. Von
ihnen hat jeder seinen kleinen Acker, den er tinabliissig bebaut. Der
eine malt nur Mädchen am Strande, der nur schummerige Interietirs,
der Stiidtebildei" bei dunstigem Abend, der graubratines Gelände mit
melancholischmegendtisterem Himmel, der das fette, üppig grüne
Phlegma des holländischen Bodens, der flache Ufer mit Windmühlen
und rothdachigen Hausern, die sich in mattem Parbenschimmer vom
einförmigen Grau der Wolken lösen jeder malt ein 'l'heilchen
von Israels.
Christoph Bissclzop, der itrbenfretidige Meister, der heute eben-
falls im Htutg lebt, ist nur vier Jahre jünger als Israels und arbeitete
auch kräftig am Umschwung der holländischen Malerei. Gleyre und