Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

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X XXIX 
HOLLAND 
Josef Israels, der holländische Millet, war am 27. Januar 1827 
in Groningen, einer kleinen Harndelsstardt im Norden Hollands, ge- 
boren. Er wollte Rabbiner werden, studirte in der Jugend Hebräisch 
und vertiefte sich in den Talniud. Als er die Schule verlassen. trat 
er in das kleine WVechselgeschiift seines Vaters ein und lief oft mit 
dem Geldsack unterm Arm nach dem benachbarten Bankhaus des 
Herrn Mesdag, dessen Sohn, der Marinemaler H. XV. Mesdtig, damals 
kaum ahnte, dass je eine Marine von ihm im Atelier dieses armen 
Judenjtingeia hängen werde. 1844 ging er nach Amsterdam in das 
Atelier des damaligen Modemalers jan Krusemtin. Seine Eltern hatten 
ihn bei einer frommen jüdischen Familie in Quartier gegeben, die in 
v]oden breästraate, dem Amsterdamer Ghetto wohnte. Diese kleinen, 
engen Strassen, wo sich die Einwohner vom einen Fenster zum andern 
die Hand geben können, diese alten Marktplätze mit ihrem oriental- 
ischen Menschengexxrimnael bezauberten ihn. Gleich Rembrandt wank 
derte er durch die Winkelgiisschen, beobachtete die Kriinier, die Fisch- 
Weiber, die Läden mit Früchten, Aepfeln, Orangen, die hübschen, 
malerischen jutdenweiber, dies ganze condensirte, auf kleinem Raum 
angehäufte Leben  ohne dass er zunächst für möglich hielt, die 
Figuren, die er um sich sah, auch zu zeichnen. Er folgte als Heisiger 
Schüler den akademischen Lehren Krusemans und setzte unter dessen 
Anleitung eine Reihe grossei" Historienbilder und italienischer Bauern- 
scenen in die Welt. 
Eine Reise nach Paris, zu der er 1845 durch die Ausstellung 
einiger Gretchenbiltler des französischen Holliinders und elegischen 
Romantikers Ary Schcller angeregt wurde, änderte ebenfalls nichts 
in seinen Anschauungen. Er besuchte dort das Atelier Picots, eines 
alten Davidschillers, wo damals über 150 junge Leute arbeiteten 
und wo ihm die ersten Regeln der "fratnzösischen Historiennlztlerei 
überliefert wurden. Dann meldete er sich mit einer Probezeichnting 
wAchilles mit Patroklusa zum Eintritt in die Ecole des Beaux-Arts 
und kam zu Paul Delaroche  gerade nachdem Millet dessen 
WVerkstatt verlassen hatte. Pils und Lenepveu sollen die einzigen 
Kameraden gewesen sein, denen er, ungeschickt und linlaisch im 
Verkehr, damals näher trat. Und als er im Revolutionsjahr 1848 
in die Heimath zurückkehrte, war das Ergebniss seines Pariser Auf- 
enthaltes kein anderes als bei Millet: er hatte viel gehungert, im 
Louvre studirt und im Salon gesehen, wie in Frankreich xgYOSSC 
Malereia betrieben wurde. Nun miethete er in Amsterdam ein
	        
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