Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

XXXIX. 
HOLLAND 
jene Bilder weder weit hergeholte noch weit zurückliegende Kuriosi- 
taten  sie sprachen einfach und herzlich zu ihnen, wie Millet zu 
seinen Landsleuten. _Ganz ruhig, ohne Kampf trat hier die moderne 
Kunst ins Leben. Es ist, als hätten Pieter de Lloogh, van Coyen und 
Ruysdael nur den Moment abgewartet, wo man sie wieder verstehen 
würde, um von Neuem an die Staffelei zu treten. Diese directe Her- 
kunft von Classikern gibt auch den Enkeln ein classisches Gepräge. 
Sobald die Holländer auf einer Ausstellung erscheinen, empfängt 
in ihren Sälen der Eindruck abgekliirter Ruhe und stiller altmeister- 
licher Sicherheit. Man athmet die weiche, gleichmiissige und an- 
haltende Wiirme der grossen Fayenceöfen, wie sie in den wohlv 
habenden holländischen Hiiusern stehen. Kein Liirm, keine Unruhe, 
kein Strebertlhum. Mehr als früher sanft, hingebend, fast melancholisch, 
nicht gleich allumfassend wie die alte Kunst, die das ganze Leben der 
Wirklichkeit und des Traumes von den grossartigen Conceptionen 
Rembrandts bis zu den burleskesten Scenen Ostades mnfasste, be- 
handelt die neue Kunst Hollands mit einer vornehmen liinftichheit, 
dem Reiz tiefer Intimität und geniüthvoller Zartheit die Scenen des 
Lebens und das Leben der Natur. Holland ist das harmonischste 
Land der Welt, das Land der aiiinnne1'nden Stuben und tmulichcn 
Innenriiunw. der weiten Flächen und melancholischen Dünen, der 
grossartigenWolkenbiltlungen und gedämpften farbigen Luft. Nirgends 
ist voll-es Licht, nirgends voller Schatten, keine krfystztllene Klarheit, 
doch auch selten schwerer Nebel. Weich wallendes Irlalblicht hüllt 
Alles ein. Graue Dunstxxrolken bedecken den Himmel. Feuchtig- 
keit füllt die Luft. YVenig Farben sieht man, aber Alles ist Farbe. 
Mit diesem Fleckchen Erde sind die Maler durch ziirtliches Heib 
mathsgefühl verbunden. Ein gemüthlicl]  
der Patriotismus des Kirchthurms kennzeichnet ihre Kunst. Sie 
bleiben ruhig im Lande, beschränken sich darauf, ihre Heimath dar- 
zustellen, die stattlichen Hafen der Seestiidte, den Strand ihrer See- 
bäder. die ruhige Gediegenheit ihres Lebens, die Schwere ihrer Rinder, 
den fetten Boden der Aecker. Die harte Ehrlichkeit der französischen 
Naturalisten ist unter den Händen der Holländer zarter und weicher, 
die lichtsuchende Kühnheit der französischen Luministen unter dem 
Einliuss der holländischen Atmosphäre schummeriger, düsterer ge- 
worden. Die ganze Kraft aus dem heimatlichen Boden satigentl, 
bilden sie in der Kunst wie in der Politik ein ruhiges Liindchen für 
sich, in das kein Tageslärnl störend herüber tönt.
	        
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