Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

XXXVIII. 
ELGIEN 
133 
wturden sie zunächst mit demselben Entrüstungsrtif begrüsst, der 
sie in Frankreich empfangen hatte. Aber dieser Entrüstungsschrei 
verhinderte den Courbefschen Realismus nicht, schon ein paar Jahre 
Später mit De Groux zu triumphiren, der ihn in einer Art brutaler 
Sentimentalität widerspiegelt. 
Charles n'a Groux ist ein merkvirürtligei" Kfmstler. Auch Hendrik 
Leys schon hatte die Armuth gemalt. Aber nicht in der kVirk- 
lichkeit sah er sie  nur auf alten Bildern. Der vornehme, reiche 
Maler hatte einen weiten NVeg von seinem fürstlichen Palais nach 
den engen Gassen des alten Antwerpen, wo diese modernen Dramen 
sich abspielen. Charles de Groux lebte selbst ein dürftiges Leben 
111 einer entlegenen Vorstadt, stets umgeben von den bleichen ver- 
hungerten Gesichtern der Armen. Ein tiefes Mitleid zog ihn zur 
Welt der Mühseligen und Beladenen hin. Er tibertrtig auf sie die 
Melancholie, an der er selber litt, lebte ihr Leben mit ihnen, und 
sein Herz blutete,_ wenn er sie leiden sah. Künstler und Mensch 
deckten sich bei ihm. Er ist der Maler der Unglücklichen geworden, 
Weil er selbst ein armer, unglücklicher, hässlicher Mensch war: mit 
derselben Naturnothwendigkeit, mit der die glücklichen, schönen 
Künstler jederzeit die Poeten des" Lachens und der Grazie waren. 
Er mischt in seine Malerei weder Sarkasmus noch Klagen, sondern 
malt einfach die Wirklichkeit, wie er sie fühlt, mit der ganzen Er- 
fetlullg seines Innern, ohne zu dogmatisiren oder socialtlemokratisch 
Zll predigen. Der Kampf zwischen Capital und Arbeit berührt ihn 
nicht; er kümiriert sich nie um das Verhältniss zwischen Arbeitgeber 
und Arbeiter, stösst nie den Kriegsruf des Yvolkstribunen aus, wie 
Eugene de Block esgethan hatte, Ernst und sachlich führte er das 
Vßlk in die Kunst ein, gab ihm in Belgien den künstlerischen Geburts- 
echein, den es in Frankreich durch Courbet erhalten. Im Uebrigen 
ahnelt er dem Franzosen nicht. Courbet war ein handfester Maler von 
Eigner Bravour, der Alles in den braunen Tönen der Bolognesen 
- monisch zusammenstimmte. De Groux erscheint neben ihm 
nlflgef. gequält; schrille Töne durchbrechen die rusige Harmonie 
Seiner Bilder. Courbet betrachtete die Menschheit mit einem geä 
Sundßn, breiten Rabelaisschen Lachen, der arme de Groux, der 
glitt, Schwach und kränklich war, hat in seine Dramen immer 
t  efe Gefühl des Todes gelegt. Bei Courbet gesunde Menschen, 
dle m ihrer ganzen Rusticität sich erheben, bei de Groux magere Ge- 
Stalten mit hohlen NVangen und schwachen Lungen, schwindsüchtige
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.