124
XXXVII.
ENGLAND
muth trug, ward Walker durch jeden Misserfolg, jeden scharfen Hauch
der Kritik verstimmt und in seinem Schaffen gehemmt. Zudem war
er wie Mason ein leidender, schwindsüchtiger Mensch. Ein Aufent-
halt in Algier konnte das tückische Leiden nur kurze Zeit bannen.
Unter den letzten Werken, die er 187g ausstellte, erregte noch eine
Zeichnung Aufsehen: vdas unbekannte Lande, ein Schiff mit nackten
Männern, das sich den Ufern eines weiten, ruhigen, von magischem
Licht überströmten Eilands nähert. Bald darauf war Walker selbst
im unbekannten Lande: 35 Jahre alt, als er in Schottland starb. Sein
Körper wurde von dort nach dem kleinen Friedhof von Cookham,
am Ufer der Themse, überführt. In diesem Dörfchen, innerhalb
der schönen Flusslandschaft, die er so geliebt und so oft gemalt
hatte, liegt Frederick Walker begraben.
Nach der Praeraphaeliten-Revolution bezeichnete die Gründung
der Walker-Schule den letzten Abschnitt der englischen Kunst. Sein
Einfluss war weit grösser, als die geringe Anzahl seiner Werke
vermuthen lässt, und fünfzig Procent der englischen Bilder jeder
Ausstellung würden vielleicht nicht gemalt sein, wäre er nicht ge-
boren. Ein lange verleugnetes nationales Element, jenes alte eng-
lische Gefühlsleben, das einst die Landschaften Gainsboroughs und
die Scenen Morlands beseelte und unter den Händen Wilkies und
der Genremaler verloren gegangen war, lebte in Frederick Walker
wieder auf. Er passte es der Zeit an, indem er etwas von Tenny-
sons Naturschwärmerei beifügte. Es ist wie ein Symbol, jenes alte
Gitter, das er in dem schönen Bilde von 1870 malte. Er und Mason
haben es geöffnet, um die englische Kunst einzulassen in diese neue
Domäne, wo Alles musikalische Empfindung ist, wo man in süsse
Träumereien versenkt wird beim Anblick einer Heerde Gänse, die
von einem jungen Mädchen getrieben werden, eines Arbeiters, der
hinter seinem PHuge hergeht, eines Kindes, das mit kleinen Kiesel-
steinen sorglos am Wasser spielt. Die Nachfolger sind vielleicht
gesünder oder soll man sagen sweniger feine, das heisst nicht ganz
so sensibel, so hyperästhetisch als die, die das alte Gitter geöffnet
haben. Sie scheinen sich körperlich wohler zu befinden und können
deshalb die rauhe Luft der Wirklichkeit besser ertragen. Sie lösen
die Malerei nicht mehr ganz in Musik und Poesie auf; sie leben
mehr im Leben, zu jeder Stunde, nicht nur wenn die Sonne unter-
geht, auch wenn das prosaische Tageslicht die Dinge in ihrer
materiellen Schwere zeigt. Aber der zarte Grundton, das Streben,