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ENGLAND
XXXVII.
janische Haus, das er in London
erbaute, mit seinem träumerischen
Vividarium, dem grossen goldenen
Saal, den ägyptischen Decorationen,
jonischen Säulen, Mosaikfussböden
und orientalischen Teppichen ent-
hält Alles, was man braucht, um
die Zeiten Neros und der byzantin-
ischen Kaiser hCIEIUi-ZLIbCSClIVRIÖTCD.
Ein Garten in altrömischeni Stil
umschliesst es, ein grosses daran-
stossendes Glashaus ist mit Platanen
und Cypressen bepHanzt. All die
berühmten Marmorbänke und Mar-
morbassins, die steinernen und
bronzenen Figuren, die Tigerfelle,
antiken Gefässe und Gewänder
seiner
Bilder
trifTt
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dem
merkwürdigen Hause mitten in London an. Er mag in die Bäder,
in's Amphitheater, in's Atrium führen, die Scenerien seiner Bilder
sind nichts Anderes als treu abgemalte Partien seines eigenen Hauses.
Und die Figuren, die sich darin bewegen, sind Engländerinnen.
Unter den schönen Dingen der Welt gibt es Wenige, die so schön
sind wie die englischen Mädchen. Diese hochgewachsenen schlanken
kräftigen Erscheinungen vom Strande von Brighton sehen wirklich
aus wie Griechinnen, selbst das Gewand, das sie beim Lawntennisb
spiel tragen, ist frei und anmuthig wie das des griechischen Volkes.
Tadema konnte diese hohen edlen Gestalten mit ihrem goldigen
Haar, diese nach Winckelmanns Ausdruck zur Bildhauerei
geschaffenen Gewächse ohne jeden verschönernden Idealismus in
seine Werke herübernehmen. Seine Bilder sind in ihrem Still-
leben die Frucht eines zur Anschauung gewordenen enormen
archäologischen Wissens, in ihrem figürlichen Theil das Product
gesunder Wiedergabe des Lebens. So erklärt sich die unerreichte
classische Localfarbe seiner IHICfiCUfS wie die Lebensfähigkeit seiner
Gestalten. Es ist in seinen NVerken das merkwüixlige Problem gelöst,
dass ein intensiver Sinn für die moderne Wirklichkeit glaubhaft
eine Welt erstehen liess, die allen andern, die ihr auf dem Wege
des Idealismus nahten, verschlossen blieb.