XXXVII.
ENGLAND
Bedienten im Schlosse des Lords. Die besondere Eigenart aller
englischen Bilder besteht nachdem man in der älteren Periode eine
Vorliebe für helles Gelb und brüskes Roth gehabt heute in einem
grünlich oder bläulich leuchtenden Gesammtton, dem sich jeder
englische Maler wie einer zwingenden Gesellschaftsform zu beugen
scheint und der selbst in den englischen Landschaften wiederkehrt.
Die englische Malerei unterscheidet sich von der französischen,' wie
England von Frankreich.
Frankreich ist eine grosse Stadt und diese Stadt heisst Paris.
Hier, nicht in der Provinz, lebt die denkende elegante Welt, die
durch die Feinheit ihres Geschmackes und die Ueberlegenheit ihres
Geistes die Führerin der Nation, die Schiedsrichterin des Schönen
geworden ist. In Paris werden die Ideen geboren, die auf unsicht-
baren Telegraphendrähten durch's Land iiiegen. Auch die Malerei
erhält sie aus erster Hand. Sie steht mitten im gährenden Strudel
der Zeit, das Blut der Gegenwart strömt ihr durch alle Adern, nichts
Menschliches ist ihr fremd, der Koth und der Glanz des Lebens, sein
Lachen und Elend. Auch die Nerven der Grossstadt vibriren in ihr.
Paris hat die Menschen raffinirt und gierig im Genuss gemacht. Sie
haben jeden Tag neue Eindrücke, neue Theorien nöthig, um sich
nicht zu langweilen. So erklärt sich der Alles umfassende Stoifkreis
der französischen Malerei und ihre fieberhafte technische Beweglichkeit.
London hat für England keineswegs die Bedeutung wie Paris für
Frankreich. Es ist ein Sammelplatz für die Geschäfte; die feineren
Leute der Gesellschaft leben auf dem Lande. Gleich wenn man in
Dover den Expresszug besteigt, fliegen zu beiden Seiten Landhäuser
vorbei. Sie finden sich überall in England, an den Ufern der Seen,
am Strande der Meerbusen, auf den Gipfeln der Hügel. Wie hübsch
sind sie, wie wohlgeordnet, wie lieblich anzusehen mit ihren spitz
zulaufenden Dächern, ihren glänzenden, mit Epheu bedeckten Ziegel-
steinen. Rings dehnt sich ein frischer sammetweicher Rasenplatz aus,
der alle Morgen gewalzt wird. Fette Ochsen, Schafe, so weiss, als
kämen sie frisch aus der Wäsche, liegen im Grase. Ganz England
gleicht einer grossen Villegiatur„in die kein Laut hereindringt vom
hämmernden, pochenden Leben. Auch die Malerei darf die idyll-
ische, ländliche Harmonie nicht stören. Man will, wenn man seine
Arbeit gethan und der Stadt entflohen ist, durch nichts erinnert
sein an die Prosa des Lebens. Der Schillensche Satz sErnst ist
das Leben, heiter die Kunste ist der erste Paragraph der Aesthetik.