XXXVII.
England.
ER englischen Malerei konnten, da hier die epochemachende
Ü Thätigkeit der Praerafaeliten vorausgegangen war, die fran-
zösischen Errungenschaften im Princip wenig Neues mehr
bieten. Sie hat, von einigen directen Entlehntmgen abgesehen, ihre
Autonomie vollständig bewahrt oder Alles, was sie sich von Frank-
reich assimilirte, wenigstens in specifisch englischem Sinne umgebildet.
Es ist mit der Kunst ähnlich wie mit den Menschen. Der Engländer
reist mehr als jedes Volk. Die Reisen gehören zu seiner Erziehung.
Man begegnet ihm in allen Ecken der Welt, in Afrika und Asien,
in Amerika, auf unserem Contincnt, und er braucht den Mund kaum
zu öffnen schon von Weitem verräth sich der Engländer. Ebenso
bedarf man in Ausstellungen keines Katalogs, um auf den ersten Blick
alle englischen Bilder zu erkennen. Die englische Malerei ist zu eng-
lisch, um nicht auch die Reisen zu lieben. Der Maler recognoscirt
gern die anderen Schulen, studirt alle Stile, ist in der Vergangenheit
wie in der Gegenwart heimisch. Aber wie der englische Tourist,
mag er bis an's Ende der YVelt gehen, tiberall seine Sitten, seinen
Geschmack, seine Gewohnheiten beibehält, bleibt auch die englische
Malerei selbst auf den abenteuerlichsten Reisen tinwandelbar ihrem
nationalen Geiste treu, kehrt von allen ihren Wanderungen englischer
als je nach Hause zurück, verarbeitet das Fremde mit derselben
köstlichen Rücksichtslosigkeit, mit der die englische Sprache aus-
ländische Worte sich mundgerecht macht. Eine gewisse Zärtlichkeit
der Seele und Sanftheit des Gefühls lässt die Engländer noch heute
die harte Berührung mit der Wirklichkeit meiden. Ihre Kunst weist
Alles zurück, was in der Natur rauh, herb, brutal ist, sie polirt und
poetisirt die YVirklichkeit, auf die Gefahr hin, sie abzuschwächen.
Sie betrachtet die Dinge unter dem Gesichtspunkt des Hübschen, des
Rührenden oder Verständigen, hält keineswegs alles Wahre für schön.
Und ebensowenig sieht das sehr um's Detail bemühte englische