XXXVI.
ITALIEN
vor. Er producirt überhaupt nichts, was nicht leicht verkäuflich ist,
und hat ein feines Gefühl für den Modegeschinzlcl; des reichen
reisenden Publikums, das keine Dinge zu sehen wünscht, die andere
als heitere und oberflächliche Empfindungen herxwturrufen.
Vielleicht hängt dieses Zurücktreten der romanischen Völker-
schaften aber auch mit dem Wesen der modernen Kunst zusammen.
Es wurde neuerdings mit den YVorten germanisch und romanisch
viel Missbrauch getrieben. Man hat xierltüntlet, die neue Kunst
bezeichne den Sieg germanischen Gemüthslebens über das latein-
ische Formenwesen, den Ansturm germanischer Inniglteit gegen
das hohle Pathos, in das die Nachahmung des Cinquecento auslief.
Solche Behauptungen sind immer schwer beweisbar, da jedes jahr-
hundert der Kunstgeschichte ähnliche Reactionen der Natur-Wahrheit
gegen den Manierismus verzeichnet. Richtig aber ist, dass die mo-
derne Kunst mit ihrer zarten Versenkung in's Alltagsleben und in
die Mysterien des Lichtes im Grunde einen germanischen Charakter
trägt, nicht in Rafael, Michelangelo und Tizian, sondern in den Eng-
ländern des 18., den Holländern des 17., den Deutschen des 16. Jahr-
hunderts ihre Ahnen hat. Die Italiener und Spanier, deren gesammte
Geistesctiltur auf lateinischer Grundlage ruht, vermochten vielleicht
deshalb dieser GeschmatcltsWandlung schwer zu folgen. Sie hielten
entweder an der alten bombastischetheatralischen Historienmalerei
fest oder modelten das Neue in eine äusserliche, mit buntem Flitter
drapirte Salonkunst um. Selbst in Frankreich bedeutete das Empor-
kcimmen der neuen Kunst gleichsam einen Sieg des friinkisclien Ele-
ments über das gallische. Der Normanne Millet, der Pranke Courbet,
der Lothringer Bastien-Lepzige trieben die Lateiner Ingres und Couture,
Cabanel und BOLIgLIGICLILI zurück, so wie im I8. Jahrhundert der
Niederländer Watteau das Joch des starren lateinischen Classicismus
brach. Und wie damals auf Wllttflllü der mehr römisch angehauchte
Francois Boucher folgte, so lässt sich auch heute nicht verkennen,
dass die jüngste Generation den Geist germanischen Kunststrebens
wieder in eine lateinische Formel brachte. Noch immer ist die
französische Kunst ausserlich die imposantcste der Welt. Welcher
Esprit, welcher grosse Zug, welche souveräne Sicherheit geht durch
diese Werke, und wie provinciell, wie ängstlich befangen, wie un-
sicher erscheinen damit verglichen die der andern Nationen. Paris
ist seit Jahrhunderten ein kunstdurchtriinkter Boden. Der französische
Künstler bewegt sich daher auf dem Parket der Ausstellungen mit