XXXVI.
ITALIEN
ihr Leben. Gegenüber der ernsten Kunst der andern Nationen hängt
dieses Bildervölkchen in sorglosem Flitterstaat vergnügt durcheinander,
ihm ist die Kunst heiter heiter wie der Italienerin ein Sonntag
Nachmittag mit Prozession und Feuerwerk, Spazierenfahren und
Sorbettoschlürfen. Neben dem plüschblau-sammetrothen Costümbiltl
dominirt noch immer das komische Genre: in der Farbe barbar-
isch, im Inhalt lustiger, als für geschmackvolle Bilder gut ist.
Gaetano Chierici lässt auf kleinem Kasperltheater artige und böse
Kinder auftreten. Antonio Rotta erzählt komische Episoden aus dem
Leben der venezianischen FliCkSCl1L1SI6l' und NetzeHicker. Scipione
Vannuttelli malt junge Mädchen in weissen Kleidern, die als Nonnen
eingekleidet oder in der Kirche geürmt werden. Francesco Monte-
verde liebt komische Intermezzi 21 la Grützner, etwtt wie ein geist-
licher Herr zu seinem Entsetzen bemerkt, wie seine junge hübsche
Dienstmagd im Hof von einem schmucken Burschen geküsst wird.
Ettore Tito schildert die hübschen venezianischen NViischerinnen, die
Passini, Cecil van Haanen, Charles Ulrich, Etigen Blaas und Andere
in die Kunst einführten. Einige schlugen auch tiefere Noten an.
Luigi Nono in Venedig malte sein schönes Bild wRefugium pecca-
tOfllInK, der Mailänder Ferragutti seine wArbeiter auf dem Rübenfelde,
eine grelle Sonnenlichtstudie von ernster Wahrheit, und ganz neuer-
dings trat Giovawzizi Seganlini mit sehr absonderlichen Sachen hervor,
in denen er zeigte, dass man Italiener und doch ernst sein kann.
Segantinis Biographie ist ein ganzer Roman. 1858 in Arco als
armer Leute Kind geboren, war er nach dem Tode seiner Eltern
einem Verwandten in Mailand übergeben worden, bei dem es ihm
sehr schlecht ging. Er wollte sein Glück in Frankreich machen
und unternahm zu Fuss die Reise, kam jedoch nicht weit und liess
sich von einem Gutsverwalter als Schvxteinehirt dingen. Nun lebte
er ein Jahr einsam im wilden Gebirge, arbeitete auf dem Acker,
im Stall, in der Scheune. Da kam die bekannte Entdeckung, die
man nicht glauben würde, wäre sie nicht bei Gubernatis zu lesen.
Er hatte eines Tages das schönste seiner Schweine mit Kohle auf
einen Felsblock gezeichnet. Die Bauern laufen zusammen und nehmen
den Steinblock sammt dem neuen Giotto im Triumph mit in"s Dorf.
Er findet Unterstützung, besucht die Kunstschule in Mailand und
malt nun, was er in der Jugend gethan. 1000 Meter über dem
Meeresspiegel, in einem weltentrtickten Dorfe der Alpen, in Val
d'Albola in der Schweiz, mitten im grandiosen Hochgebirge, liess