Der Darstellungskreis.
Die_ vielen Familienbilder sprechen hierfür. Es steht also zu er-
warten, dafs auch bei jenen Personen, die man nicht mehr vor
Augen hatte, eine bestimmte Charakterisierung beabsichtigt wurde
und man, wo Anhaltepunkte vorhanden waren, eine Porträtähnlich-
keit auch hier erzielen wollte. Das Streben nach individueller
Charakterisierung" läfst sich im geringsten Grade bei den früheren,
noch ins vierte Jahrhundert fallenden Golclgläsern beobachten. Es
besteht zwischen diesen und zwischen den Katakombenmalereien
eine nahe Verwandtschaft; derselbe sepulkrale Gedankenkreis, die-
selbe symbolische Auffassung, dieselbe brachylogische Darstellung
in beiden, was um so bemerkenswerter für die Beurteilung der
Anschauungen der Christen des vierten Jahrhunderts ist, als die
Goldgläser so gut wie keine sepulkrale Bestimmung hatten. Aber
es läfst sich doch für die auf das Leben berechneten Gegenstände
nicht die ausschliefsliche Existenz jener sepulkralen Scenen beweisen.
Es treten schon frühe auch andere auf, welche in den Katakomben
fehlen oder nur selten vorkommen. Es lag nichts näher, wenn
einmal, wie im vierten Jahrhundert, das Bestreben vorhanden war
und immer lebhafter wurde, die alltäglichen Vorgänge zu spezifisch
christlichen zu Stempeln, die für den täglichen Gebrauch bestimmten
Werkzeuge mit christlichen Emblemen zu schmücken, demgemäfs
auch die Trinkgefäfse mit christlichen Symbolen und Bildern zu
zieren, als dafs man hierzu Christus selbst oder seine Apostel oder
Heilige verwendete. Das ist in der That oft geschehen, anfangs
zu Gunsten der spezifisch sepulkralen Scenen weniger oft, später
immer häufiger neben Darstellungen aus dem Leben selbst, beson-
ders Familienbildern. Den ersten Rang unter diesen Bildern be-
haupten die Darstellungen der zwei ersten Apostel. Sie nehmen
ungefähr ein Viertel aller Goldgläser ein, unter den bei Garrucci
im fünften Bande seiner Storia dell' arte cristiana publizierten
gegen 80. Die andern Apostel verschwinden dagegen. Es erklärt
sich aus dem Anschlusse an die Darstellungsweise der Katakomben,
dafs bei den neutestamentlichen Wunderscenen nur der Kern der
Handlung dargestellt ist. Ein einziges Mal findet sich ein Jünger
als Begleiter Christi (tav. 176, 6), aus rein künstlerischen Gründen
hinzugefügt. Dagegen ist nicht selten auf den noch dem vierten
Jahrhunderte zuzuweisenden Gläsern Christi Brustbild in der Mitte
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