142
Berliner Elfenbeinpyxis.
und Barte, letzterer nicht lang, aber reichlich, etwas derben Zügen
und Paulus mit mächtigem Haupte, kahlem Vorderkopfe, langem
Barte, gröfserer Nase, lebhaften grofsen Augen, kühnen Gesichts-
zügen sind in ausgesprochenen Gegensatz gestellt. Im Vergleiche
mit allen andern Monumenten ist eine frühere Entstehungszeit als
das Ende des IV. Jahrhunderts für das Abendland unmöglich. Das
oströmische Reich hat uns aus dieser Zeit so gut wie keine Bild-
werke erhalten. Darum läfst sich eine genauere Datierung nicht
geben. Aher auch die stilistischen Gründe sind nicht für eine
frühe Zeit zwingend. In den besten Denkmälern des vierten
Jahrhunderts, auch noch in späteren, hat die sich über das Gewöhn-
liche erhebende Technik ihre schlagenden Analogieen. Die beiden
Apostelköpfe t. 435, 3 gehören in die zweite Hälfte des sechsten
Jahrhunderts. Konnte ein um ziemlich zweihundert Jahre der klas-
sischen Blütezeit näher stehender Künstler, der in den Traditionen
und der Technik der Antike grofs geworden war, nicht solche
Charakterköpfe schaffen?
Die Einwirkung Ostroms auf das Abendland läfst sich auch
sonst noch verfolgen. Dem Anfange des fünften Jahrhunderts 1)
entstammt der in Rom gefundene Bronzeeimerz): Christus sitzend,
die zwölf Apostel, namentlich bezeichnet, vor ihm, mit Schriftrolle
oder Buch; Paulus, Christo zunächst, empfängt von Christo die
Schriftrolle. Petrus und Paulus tragen allein Bart, für den wenig
mit feinerer Technik vertrauten Künstler die einzige Möglichkeit,
zu individualisieren. Die Arbeit ist kaum griechisch, aber die "grie-
chischen Lettern und die Kleidung: das kurze Pallium über der
langen Tunika, weisen wenigstens auf mittelbaren oströmischen
Einrlufs.
Dafür ist im Abendlande schwerlich eins der hervorragendsten
altchristlichen Kunstwerke gearbeitet, die aus dem Trierschen stam-
mende, jetzt im Berliner Museum bewahrte Elfenbeinpyxis3). Christus,
ganz nach dem Vorbilde des thronenden Konsuls, sitzt lehrend mit
I) wegen des charakteristischen Nimbus Christi,
oberhalb des Kreises ein kleines Kreuz zeigt.
2) t. 426, 2.
3) t. 440, 1.
wie in St.
Maria Maggiore