Miniaturen
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des Abendlandes erhebt, erfahren wir hieraus, dafs ein Typus für
Petrus im VI. Jahrhundert in Ostrom vorhanden war. Dank der
vortrefflichen Kunstübung zeigt er noch nicht die Spuren eines
starren Schematismus, sondern es ist ein wirklich psychologisch
ausgearbeiteter Charakterkopf. Er entspricht in der Hauptsache
der Beschreibung des Malalas (S. 42), noch näher jenem Berichte,
den Nikephoros mit dieser verbunden hat (S. 43, Note 3): das
kurze krause Haar und das mittlere Alter gehen hierauf zurück,
die Kahlköptigkeit ist, um ein Gegenbild zu Paulus zu haben, also
aus künstlerischen Gründen unberücksichtigt geblieben.
Verbunden mit der Schilderung des kaiserlichen Silentiarius
zeigt unsere Darstellung in den Attributen die völlige Übereinstim-
mung mit dem Abendlande: Paulus als der Apostel, der Theologe
auf äfoxifv mit dem Buche, Petrus, trotzdem dafs er in der schrift-
lichen Schilderung als der Schlüsselträger gepriesen wird, in beiden
bildlichen Darstellungen nur mit dem Kreuze ausgestattet. Dabei
wird auch die Bedeutung der Scene durch den Kommentar des
Byzantiners in helles Licht gestellt: Der erhöhte Herr mit seinen
beiden grofsen Herolden spricht heute noch wie in aller Zukunft
die Worte göttlicher Lehre zu seiner Gemeinde. Im weiteren wird
nicht nur die enge Zusammenstellung, sondern auch die häufige
Verwendung ihrer Figuren wie des gesamten Apostelkollegiums in
der bildlichen Ausstattung der gottesdienstlichen Räume aus den
erhaltenen Resten und den Beschreibungen des einst Gewesenen
deutlich erwiesen.
Für Ostrom wird dem Mangel an monumentalen Denkmälern
immerhin etwas abgeholfen durch die uns erhaltenen, aus verschie-
denen Teilen des östlichen Reiches stammenden Miniaturen.
Unsicher, wo er geschrieben, aber sicher griechischer Herkunft und
dem Anfange des Jahrhunderts justinians zuzuweisen ist der von
Harnack und Gebhardt Wieder ans Licht gezogene Codex Rossa-
nenSiSI). Er steht, künstlerisch betrachtet, sehr hoch, daher waltet
auch überall noch künstlerische Freiheit. Die zum Unterschiede
und
I) von den
faksimilierter
in sorgfältiger Beschreibung, Bausen
Leipzig, Giesecke und Devrient.
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beiden glücklichen Findern
Probe herausgegeben 1880,