NOTIZEN ZUR GESCHICHTE DER MALEREI IN BÖHMEN.
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grosse, aber nicht spitze Nasen mit breitem Rücken, auffallend
starke Backenknochen, grosse ruhige Augen, besonders aber
herabgezogene Mundwinkel, die dem Gesicht das Gepräge des
Strengen, fast Schwerfälligen und des Feierlichen aufdrücken.
Die Hände sind allerdings nicht sehr verstanden, aber wenig-
stens voll, nicht mager und ohne die gezierten Motive, die man
damals häufig findet. Die Modellirung ist wirkungsvoll bei
feinen grauen Schatten im Fleischton, aber streift mitunter an
das Verblasene. ln den Gewändern herrschen gebrochene Töne,
die zu dem Fleischton und gemusterten Goldgrund glücklich
gestimmt sind. Nicht ganz auf gleicher Höhe wie die Brustbil-
der steht der Christus am Kreuz, jetzt in Wien. Das Gemälde
stimmt freilich mit diesen Brustbildern überein, namentlich im
Kopfe des Johannes, aber bei den ganzen Figuren fallen die
sehr rohen, plumpen Füsse auf, bei dem Heiland tritt ein
starker Naturalismus in der krampfhaften Krümmung der Ge-
lenke hervor. Der Ausdruck des Schmerzes ist kraftvoll und
ergreifend, ohne die weicheren, sentimentalen Züge der Rheini-
schen Schule.
Man hat den böhmisch-slavischen Gesichtstypus in den
Köpfen wiedererkennen wollen, namentlich in der Bildung der
Nase und in den breiten Backenknochen. Nur darf man daraus
nicht folgern, dass der Meister wegen dieses besonderen Ge-
sichtstypus eher Öechischen als deutschen Ursprungs gewesen
sei, wie das sogar noch Schnaase that (VI, S. 4.39). Ist Meister
Dietrich in der That der Urheber, so widerspricht dem allein
schon sein deutscher Name. Aber Meister Dietrich gehört in
dieser Periode des künstlerischen Umschwungs am Ausgange
des Mittelalters zu denjenigen Künstlern, welche mit dem über-
kommenen idealen Typus brechen und aus dem Charakter des
Geschlechts, mit dem sie selbst leben, einen neuen Typus zu
abstrahiren suchen, der bereits mehr dem Individuellen zu-
strebt. Nähern seine Köpfe sich etwas dem slavischen Charakter,
so kommt dies nicht daher, dass er selbst slavischer Abkunft
war, sondern daher, dass er ein offenes Auge hatte und von
slavischer Bevölkerung umgeben war. Auch diese neue Prager
Schule, welche zur Zeit Karl's IV. einen ausgesprochenen und
besonderen Charakter gewinnt, ist eine deutsche Schule und