NOTIZEN ZUR GESCHICHTE DER MALEREI IN BÖHMEN.
eigenthümlich deutsch, so das stets ziemlich herb gebildete
Antlitz der Maria. Bartlos ist nicht nur Christus dargestellt,
sondern auch Gott Vater, Johannes der Täufer, der heilige
Wenzel. Die antike Tracht ist im Faltenwurf wenig verstanden,
dagegen ist die reiche Hoftracht der Zeit geschickt wieder-
gegeben, und dasselbe gilt von Geräthschaften und Wappen.
Ihrem künstlerischen Charakter nach gehört die Handschrift
derjenigen Richtung an, Welche sich seit der Zeit Karl's des
Grossen im fränkischen Reiche zusammenhängend entwickelt
hat und dann in Deutschland die Periode der byzantinisirenden
Hofkunst überlebt. Der Codex stimmt mit dem besten unter
denjenigen Manuscripten überein, in welchen diese Richtung
uns in der Epoche nach dem Erlöschen derdeutschen Karolin-
ger entgegentritt, mit dem in Reichenau gefertigten Evangeli-
starium des Erzbischofs Egbert von Trier (978-993), in der
Stadtbibliothek zu Trier, mit den von St. Ulrich, Bischof von
Augsburg (923- 973), gestifteten Handschriften (München, Bibl.,
Cimel. 53 und British Museum, Harleian, 2970), den gleich-
zeitigen oder aus dem elften Jahrhundert herrührenden Lei-
stungen der Malerschule in St. Gallen, dem Evangelistarium
Heinrichs III. aus Echternach (Bremen, Stadtbibliothek). Wenn
aber Waagen durch den Wysehrader Codex bewiesen findet,
dass sich die eigenthümliche Kunstrichtung der Böhmen schon
sehr früh geäussert habe, so sind seine Worte so zu verstehen,
dass dieses kostbare Manuscript für einen damals bereits an-
sehnlich entwickelten Kunstbetrieb in Böhmen zeuge, nicht aber
so, als ob irgend ein Zug, der als specifisch böhmisch oder
vielmehr Eechisch, vom deutschen Charakter abweichend, gelten
könnte, in diesem Werke hervorträte.
Für das zwölfte Jahrhundert ist ferner die Handschrift der
Gumpolcfschen Wenzelslegende in der Bibliothek zu Wolfen-
büttel durch ihre wenigen Miniaturen charakteristisch. Das De-
dicationsbild belehrt uns durch seine Inschrift, dass Hemma
dies Buch habe anfertigen lassen. Das würde sich also beziehen
auf Hemma, „feminini sexus gemma", wie Cosmas sie nennt,
die Gemalin Boleslav's II., gestorben 1006. Nach der Darlegung
von Pertz (Mon. Germ. SS. IV, S. 211 ff.) kann aber die
Handschrift selbst nicht so früh entstanden, vielmehr nur eine