NOTIZEN ZUR GESCHICHTE DER MALEREI IN BÖHMEN.
tritt uns demnach jener ursprüngliche Geschmack der westeuro-
päischen Völker entgegen, der von der antiken Tradition un-
abhängig ist und der dann weiterhin in den Formen des roma-
nischen Mittelalters neben den antiken Elementen kenntlich
fortlebt.
Dann allerdings kommt für die westeuropäische Kunst eine
Zeit, in welcher gewisse Einflüsse der byzantinischen Kunst
stattfanden, zwar kaum in der Architektur, die bereits auf einer
Bahn unabhängiger Entwicklung war, Wohl aber in Plastik,
Malerei, Kleinkunst. Auch diese Kunstzweige entwickeln sich
in der Folge selbständig unter Anlehnung an die romanische
Baukunst und dieser analog, aber an der Schwelle der romani-
schen Periode sind doch bestimmte Einwirkungen von Byzanz
hier nachweisbar. Diese sind aber zugleich scharf begrenzt, so-
wohl was die Dauer ihrer activen Kraft, als auch was ihren
Umfang und ihren Grad betrifft. Schnaase hat in dem Abschnitt
über die „Byzantinische Frage" (Geschichte der bildenden
Künste, IV) die Bedeutung dieses Einflusses treffend so charakteri-
sirt: „Er besteht nirgends in einer völligen Unterwerfung, nir-
gends in einer höheren, bleibend zu erstrebenden Schönheit, er
wird nirgends mit Begeisterung aufgenommen, sondern überall
nur als ein Hilfsmittel benützt, welches dem einheimischen
Geiste diente und ihm eigene Arbeit ersetzte. Er erstreckte sich
niemals auf das ganze Kunstgebiet, sondern immer nur auf ein-
zelne Zweige und verschwindet, sobald die einheimische Kunst
soweit gereift ist, um jene Hilfe zu entbehren. Das Bedürfniss,
das ihn herbeizog, war zunächst ein technisches."
Durch den Vollbesitz der Tradition und somit der Technik
Byzantinische
Frage.
war eben die byzantinische Kunst jener der westlichen, ursprüng-
lich barbarischenVölker überlegen, selbst zur Zeit, als die erstere
sank und abstarb, die letztere ihre Fähigkeit zu selbständigem
Streben schon gezeigt hatte. Die germanischen und romanischen
Völker blickten trotz ihrer Trennung von Byzanz mit Respect
auf die Erben des classischen Alterthums, das ihnen Autorität
blieb. ln der karolingischen Epoche waren die classischen An-
regungen nur aus Italien nach dem Norden gekommen. Aber
während die antike Tradition in Italien seit dem Untergang der
Ostgothen mehr und mehr der Verwilderung anheimgefallen war,