NOTEN.
blosse Fictionen, dichterisch, aber vom Standpunkt der bildenden Kunst
unkünstlerisch ersonnen sind, so geht aus der Kfergleichung der Programme
Biondds ntit wirklichen Gemälden das Gegentheil hervor, es lässt sich nam-
lich ein Theil der Angaben und Probleme, wie angedeutet wurde, auf eine
gleichzeitige Kunstrichtung in der That zurückführen. Sie sind nicht Wort-
schildemngen existirender Kunstvyerke, aber sie könnten viel eher Muster
zu schaffender Gemälde sein, als die Philostratischen für Beschreibungen
wirklich gewesener gelten dürfen. Biondds Pläne für die Gemälde sind sein
Fligenthutn, denn originell sind die durchgehenden Absichten, in denen er
stets ein abgeschlossenes Ganzes, sei es abstract moralischer oder allegorischer
Natur, oder religiöser oder mythologlscher Art, zum Verständniss bringen
will; ihnen liegt zwar der mythologische, geographische, poetische etc. Stoff
im Allgemeinen zu Grunde, aber nicht bestimmte Dichterstellett u. dgl. wie
bei Jenen. Wenn wir aber von den Reminiscenzen absehen, die Beobach-
tungen an Wirklichen gleichzeitigen Bildern der venetianischen Schule in
dem Autor hinterlassen haben, so ergibt sich allerdings das Eine als Ueber-
einstimmung, dass vom Gesichtspunkte der bildenden Kunst vieles so wenig
nach Biondo wie nach den Philostraten darstellbar Wäre. Wie bei diesen die
Gesetze der Poesie und Malerei und ihrer Grenzen in Widerstreit gerathcn,
so müsste hier der Maler, wollte er sich dem Programme fügen, seine Kunst
zur Magd noch schlimmgünstigerer Fremden machen: vor allem einer aus-
schweifenden Phantastik, die sich selbst über die physischen Verhältnisse
von Zeit und Raum hinaussetzt und auf dem Bilde schauen will, was
nicht einmal logisch zusammen gedacht werden kann. Seine Gemälde sollen
sein innerstes Geistesleben, seine Gedankenwelt, sein Wissen illustriren, sie
werden dadurch eine Art symbolischer Darstellungen zusehr individuellen
Charakters, Tableaux, wie wir sie nur in den modernsten Producten bisweilen
zu begegnen Gelegenheit haben.
Gekannt haben dürfte Biondo die inmagines des Philostrat allerdings
wohl. Zur Zeit, als der Verfasser in Venedig lebte, hatten dieselben hier
bereits zwei Ausgaben bei Aldus erlebt und ausserdem fast gleichzeitig eine
Borentinische im Jahre 1517. (Edit. Jacobs-Welcker, pag. XXI.) Man möchte
fast der Meinung sein, dass manches aus dem Ideengange der Pittura in einigenu
Zusammenhangc damit, vornehtnlich mit der Einleitung zum ersten Buche
des älteren Philostrat, stünde. So überrascht die Aehnlichkeit der Stelle im
Philostrat, wo von der Malerei als "Götterertindung" die Rede ist, von den
Horcn, welche die Gefilde malen, und den Erscheinungen am Himmel, mit
der des Biondo, Cap. 4., in welcher er von Gott, der die Welt malt etc.,
perorirt- Auch die Anführung, dass die Malerei Kleider und was in den
Gemächern vor sich geht, darzustellen in ihrer Macht hat, findet sich bei
beiden. Abgesehen davon, ist es an und für sich wahrscheinlich, dass Biondo
die Sßhrlft lcüer Rhetoren gekannt habe, weil er sich ja selbst einen Jäger
nach alten Schriften nennt. In diesem Sinne, was vielleicht die empfangene
Anregung betrilft, könnte wohl daran gedacht werden, dass die imagines
und ßiondüiS Pittura in einem gewissen Nexus stünden, aber sicher auch
Quellenschriften t. Kunstgesch. V. 5