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NOTEN.
CAP.
Züge und Reigen-Chöre, die z. B. Poliphil oder BellinTs Bilder enthalten,
finden sich auch hier wieder, so auch in den Gruppen der Aerzte die Idee
der Santa Conversazione, die Venedigs Malerei charakterisirt. Die sieben
reizenden allegorischen Bildchen Giovanni Bellini's in der Akademie zu
Venedig, welche ähnliche versteckte Bedeutungen enthalten, kommen mir
hier in den Sinn. Ihre Darstellungen z. B. die Fortuna im Kahne mit ihrem
Globus, den Genien und anderem wunderlichen Personale lassen sich auf
den ersten Blick nicht deuten und Kugler scheint mit Recht zu bemerken,
dass ihnen die nun vergessene Absicht des Bestellers zu Grunde liegen mag
eines Bestellers vom Geiste des Biondo! Desselben Meisters Bacchanale,
zu dem Tizian die Landschaft malte, ist eine ahnliclt phantastische Dichtung;
die wunderlichen Erfindungen der beiden Dossi, deren Kunst ursprünglich
auf Venetianischer Basis beruht, ihre Bacchus-Feste, Teufelssceneu und Hexen-
geschichten scheinen Kinder desselben Geistes zu sein; auch möchte ich
noch an die sonderbare Schilderei erinnern, die Giorgione zum Urheber hat,
in der Akademie zu Venedig. All dies dürfte von den Phantasien der
Hypnerotomachia angefangen eine Kette von Erscheinungen bilden, an denen
die Renaissance der Venetianischen Malerei eine Specialitäit aufzuweisen hat.
Biondds wundeiliche Entwürfe sind ein Glied dieser Kette und für das
Verstandniss des Ganzen gewiss nicht ohne KVerth.
Im neunten Gemälde (Cap. 33) sollen die damals lebenden Schönheiten
der Lagunenstadt verherrlicht werden, aber sie werden im antiken Costüm
auf die Scene gebracht. Der Autor schreibt dem Maler genau vor, Gestalt
und Zuge der ihm bekannten Venetianischen Damen zu beachten, sie
aber als Nymphen und Amazonen zu maskiren. Diese Stelle bietet vielfaches
lnteresse: verlangt ja Biondo hier, was eine allgemeine Sitte der Renaissance-
Kunst gewesen. Diese seine Nymphen als Porträts Venetianischer Frauen
sind Zeitgenossen jener Danaen und Venus, in denen Tizian's Pinsel berühmte
Schönheiten seiner Zeit verklärte.
Wenn man und es kann nicht ausbleiben beim Durchlesen dieser
Gemälde-Entwürfe an die imagines der beiden Philostrate denken mag, so wird
eine gewisse Analogie der Fälle zwar nicht geleugnet werden können, doch
aber sind Veranlassung und Zweck der Verfasser gründlich von einander ver-
schieden. Zwar ist auch Biondo ein Rhetor in gewissem Sinne, wenigstens
genugsamer Phrasenmacher, dem auch zuweilen, wie Friedrichs (Die Philo-
stratischen Bilder, Erlangen 1860) von jenem antiken Schriftsteller sagt, Alles an
der Form , an der Sache nichts gelegen ist- hier aber müssen wir ihm doch glau-
ben, dass Alles ernstgemeint sei. Er spricht bestimmte Wünsche aus, will seine
Entwürfe ausgeführt sehen, bittet sogar die Maler, die Bilder anzufertigen, ja er
möchte sich des Besitzes der Resultate erfreuen. Llmgekehrt wollen die
Philostrate uns glauben machen, dass ihre Schilderungen wirklich vor-
handene Schöpfungen der Malerei zum Gegenstande haben. Und während
sie denn, wie des genannten Gelehrten Kritik dargethan, durch den Mangel
einer Uebereixistimmung mit Geist undvFormenwelt, Anordnung und Styl
der aus dem Alterthunu erhaltenen Kunstgcbiltle deutlich zeigen, dass sie