IONDO,
VON DER MAI
von euch Verzeihung erbitten, da ich weder durch Natur noch
durch Kunst ein Maler bin, aber wohl sage ich, dass Derjenige,
welcher meine Erörterung nicht ohne alle Mühe versteht, schier
ohne Verstand oder eine wilde Bestie ist; denn ein geschickter
und scharfer Geist, der besonders zur Malerei geneigt ist, wird
leicht begreifen, was ich schreibe, ferner dass ich in meiner Rede
kurz und gedrängt bin, nichtsdestoweniger schreibe ich aber
klar, und wenn auch das, was ich Vortrage, in verschiedener Weise
und mancherlei Redensarten vorgebracht wird, so wird mich
doch Derjenige leicht verstehen, welcher den Wunsch hegt, die
genannte Kunst sich anzueignen, wenigstens mit Hilfe solcher
Ideen, welche für dieselben passen, so zwar, dass ich ihm dadurch
noch helfen kann. Wisse nämlich, mein lieber Leser, dass ein
Maler nie ein vollkommener Meister werden kann, wenn er
früher nicht in seinem Geiste die Figur versteht, die er zu malen
hat, gleich wie Derjenige, welcher seinen Bogen aufstellt und
nicht sicher Weiss, wohin das Ziel gestellt ist, den Pfeil ohne
Wirkung absendet, nicht anders rede ich von dem Maler. So
wirst du denn, o fleissiger Jüngling, dich überzeugen, dass nur
derjenige ein Maler ist, welcher seine Figuren sowie seine Skizzen
zu entwerfen Weiss, Derjenige aber, welcher weder Figuren noch
Skizzen machen kann, den werde ich für das Gegentheil halten,
nämlich dass er niemals ein guter Maler werden wird, weil er das
nicht in seinem Sinne behält, was ich gesagt habe. Ich ermahne
deshalb Jeden, der ein guter Maler werden will, dass er diese
meine Erörterung und Unterredung von der Malerei öfter lese
und mit Eifer und Fleiss durchgehe, bis er diese Lehre wohl-
verstanden und später auch gut in Uebung gesetzt habe; auf
solche Weise wird er leicht ein vollkommener, ergötzlicher und
lieblicher Maler werden, weil dieser Weg der kürzeste, der
nutzreichste und ferner der nothwendigste ist.
VOII
der
Deflnition
der
Malerei.
im
Aristoteles erörtert
Thcil
seiner Ethica die Definition
der Kunst, er schreibt, dass die Kunst in dem Gebrauch bestehe,
die Dinge in wahrhafter Art darzustellen. Da es nun Brauch