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habe, bekannt sein können, so dass er dann vielleicht dem
anonymen Buche den Namen verliehen hätte, der ihm nebstbei
bekannt war wenn in der That eine solche sichere Ueber-
lieferung bestand; andrerseits jedoch erlaubt eben diese That-
sache, dass erst der Abschreiber den Titel hinschrieb, die
Annahme, dass der Tractat vielleicht eine Bezeichnung seiner
Urheberschaft niemals besessen habe (denn wesshalb copirte
sonst keiner der Abschreiber den echten vom Autor herrühren-
den Titel?) und dass erst ein Copist einen Titel und in demselben
eine Angabe des Autors erfand, wenn irgend ein historischer oder
sagenhafter Anlass vorhanden gewesen sein sollte, welcher ihre
Benennung den Zeitgenossen annehmbar zu machen geeignet war.
Denn warum sollen wir dieser Ueberschrift glauben?
Heraclius, wenn er je gelebt und geschrieben hat, kann diesen
Titel niemals so, wie wir ihn nun hinnehmen sollen, verfasst
haben. Er, der im Texte gerne in der ersten Person von sich
redet, spräche hier wie von einem Andern von sich selber, mit
Complimenten, die ihn lächerlich machen müssten und der
bescheidenen Weise jener Autoren gänzlich fremd sind. Wenn
er also der Autor gewesen und einen Titel verfasste, so muss
dieser anders gelautet haben. Dann aber: warum ist eben der
Titel das Einzige, das die Copisten nicht wörtlich genau auf-
genommen, sondern umgeändert hätten? Die Tractatetitel sind
damals sehr selten nur in den Abschriften verändert, panegyrisch
erweitert worden und eben jene, bei denen die Verfasser bekannt
sind, blieben auch in den Ueberschriften durch die Abschreiber
stets ganz unverändert, wie sie waren und wie sich ihre Ver-
fasser selbst eingeführt hatten, so erscheinen sie da: die Schedula
des Theophilus, das Buch von der Kunst des Cennino, und so
von Vitruv angefangen bis zu den Schriftstellern der Renaissance,
Lionardo und Filarete und Alberti. Dass die Ueberschrift das
Gepräge einer fremden spätem Zuthat hat, macht also glaublich,
dass ursprünglich das Original ohne eigene Angabe des Urhebers