ÜBER DIE ÖLMALEREI.
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Gerade das ist wohl zu bedenken, durch diese ungenaue Be-
achtung dieser sogleich näher zu motivirenden Thatsache,
scheint die Fülle von Täuschungen in unserem Gegenstande
Nahrung erhalten zu haben.
Die hier kundgegebene Anschauung ist auch keineswegs
neu und befremdend, ja, wir begegnen ihr, einem zwar spätern
aber durchaus verlässlichen Gewährsmanne zufolge, gerade in
der Zeit der Künstler selber. Massimo Stanzione in dem bereits
angezogenen Bericht über das Werk van Eyk's, welches nach
Neapel geschickt worden war, bemerkt, es machte nicht so
grosses Aufsehen, obwohl es der König gesehen, es wurde ihm
als ein schönes Gemälde geschenkt, schien aber als Oelmalerei
keine Neuigkeit. Somit bewunderte man natürlich nicht den
„solito ta] colorito ad oglio" an ihm, sondern die „bella
pittura"; jene war nichts Neues in Neapel, wohl aber der
wunderbare Realismus und Natursinn des Nordländers. Die
Anwendung des Oeles also war es nicht, was die Zeitgenossen
vorzüglich zum Staunen hinriss. Auch des Facius Erwähnung
schweigt über diese angebliche Hauptsache, aber er unterlässt
nicht zu preisen, dass die ihm bekannten Bilder: der h. Hiero-
nymus, eine Verkündigung und das Frauenbad, die Wirklich-
keit auf ungewohnte, überraschende Weise wiedergeben. (Ausg.
1475, p. 46 f.) Dieser Heilige, „ganz wie lebendig", dieses
Porträt des Lomellinus, „dem nur die Stimme zu fehlen
scheint", im Gegensatze zu den alten Figuren in ihrem all-
mälig erstarrten und bewusstlos conventionellen Idealtypus, das
ergriff Facius und seine gesammte Zeit; die detaillirt ausge-
führte Landschaft, die erröthenden und schwitzenden Körper,
die Perspective, welche die Berge und Bäume "fünfzig römische
Meilen entfernt" scheinen lässt, die verkürzte Zeichnung der
Bücher am Tische, der Spiegel mit seinen Reflexen, all" diese
nievorhergesehenen Dinge des grossen allgemeinen und des all-
täglichen Lebens, das war es, was das Volk interessirte und
nicht eine neue Gattung Firnisse, wie van Mander glaubte, von
denen höchstens wieder ein Fachgenosse wissen konnte. Durch
diese schlichten, am Tage liegenden "Geheimmittel" gewannen
die Eyck's ihre Zeitgenossen, durch den glücklichen Griff, wel-
cher natürlich auch nicht mit einem Male, sondern vorbereitet,