BER DIE ÖLMALEREI.
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Längst hatte man in der Bauweise aufgehört, jene ge-
waltigen, massigen Kirchen mit ihren kolossalen Mauern aufzu-
thürmen, Welche Belebung des kahlen, monotonen Anblicks
durch Gemälde dringend erforderten. An die Stelle waren fein-
gegliederte Formen getreten, die in der Befolgung eines neuen
Principes die Fläche bis zum Aeussersten meidend, die verticale
Entwicklung in ausgesprochenster Weise bevorzugen, somit die
malerische Ausstattung auf ein Geringes, blosses Ornament,
beschränken. S0 ward dem Fresco der Boden weggezogen.
Anderseits aber bewirkten sehr verschiedene Ursachen eine
Veränderung der Altäre, die immense Pracht der romanischen
Zeit musste in dem Masse abnehmen, als immer zahlreichere
Kirchen und Kirchlein sich erhoben; Gold, Silber, Elfenbein
und Email blieben nur den allerreichsten Altären, während
man bei der ungeheueren Menge der anderen bald für ein
Surrogat sorgen musste. Namentlich als im 14.. Jahrhundert
der grosse geistige Umschwung durch die Mystiker im
Norden eintrat, blühte das Bilderwesen allgemein empor:
ihre Hauptlehre vom innigen Selbstverkehr des Individuums
mit der Gottheit begünstigte überaus die Haus- und Privat-
andacht und öffnete den heiligen Darstellungen nun auch
die bürgerliche Wohnung. Diese beiden Umstände schufen
das Leben der Tafelmalerei und sind es zugleich gewesen,
die der alten unvollkommenen Oeltechnik Gelegenheit zur
Entwickelung darboten. Wir sind in der Periode der van
Eyck angelangt.
Sobald die Uebersicht der Geschichte der Oelmalerei
diesen Punkt erreicht hat, zeigt sich bei eingehender Behand-
lung die nicht eben angenehme Nothwendigkeit, zugleich eine
Geschichte des langen und breiten, nun gerade ein Jahrhundert
währenden Streites pro und contra Vasari zu schreiben. Jeder
neue Darsteller der Sache ist bemüssigt, seine etwa hinzuzu-
fügenden Ansichten und Auffassungen auf Grundlage all" dieser
endlosen Discussionen vorzubringen und selbst im Falle, dass
er sich jeglicher eigenen Beleuchtung des Gegenstandes enthält,
erfordert es die Vollständigkeit, den langwierigen und doch
noch nicht abgeschlossenen Process immer wieder, mit allen
Verirrungen, durchzuarbeiten. Wir werden aber bei dieser