160
EXCURS
geordneter Weise von dem alten Temperaverfahren abging, so
wird die Antwort dieselbe sein müssen, wie sie lautete, als die
Gründe derselben Erscheinung bei den Griechen in Erwägung
gezogen wurden. Auch hier werden wir uns gestehen müssen,
dass alle technischen, materiellen Verhältnisse, die man in Be-
tracht nehmen kann, gegen einen inneren, wichtigeren Grund
zurücktreten. Auch hier entwickelte sich die Oelmalerei erst in so
geringem Grade noch, weil das Bedürfniss nach ihr kaum vorhanden
war. Die Motivirtmg fällt nicht schwer. Denken wir nur einmal
daran, dass alle Künste, der Kirche zu huldigen bestimmt, als
Geistesproducte ivvie alles Uebrige, Dienerinnen dieser allgemeinen
Herrin der Geister gewesen. S0 gehörten denn die einzelnen
Leistungen und Gebilde dieser verschiedenen Künste in die
Kirche, das Werk der Baukunst, welche, das gelungenste Sym-
bol ihres riesigen Ideengebäudes zu schaffen im Stande war.
Eine Kirche jener Periode verlangte aber aus zwei Rücksichten
malerische Ausstattung, wie die Oeltechnik solche erst in spä-
teren Zeiten des grössten Raffinements noch nicht in so schlicht-
einfacher Weise zu bieten vermochte. Die beiden Ursachen
aber sind: eine geistige, eine materielle. Die letztere besteht
einfach darin, dass die mächtigen Wandflächen der romani-
schen Bauten Frescoschmuck, also in Theoph. Tagen keine
Oelmalerei erforderten, die andere ergibt sich aus dem Ge-
sammtcharakter des damaligen Verkehrs der Kirche mit den
Gläubigen, der ein durchaus epischer war. Die heiligen Ge-
schichten, an denen das Volk so hohe Freude fand, gingen in
der aus Schilderungen und Beispielen zusammengereihten Pre-
digt, in den gleichfalls erzählenden, noch sehr Lindramatischen
Mysterien u. dgl. h. Spielen, in den von geistlichen Personen
verfassten Gedichten der Zeit (Annolied, Frau Ava etc.) wie ein
fortlaufendes Epos an den Gemüthern vorüber, daher musste
auch die Malerei, welche damals eben wieder vom Concil zu
Arras (1025) als Dolmetscherin der Schrift für die Unkundigen
aufgerufen worden war, in einer dem epischen Stoffe würdigen
Grösse des Styls erscheinen, deren die Oelmalerei eben niemals
fähig gewesen ist.
Wenn nun doch in so früher Periode eine neuartige Be-
handlungsweise der Farben verhältnissmässig viel in Uebung