76
meinen
seinen
Gestalten
ein
sanftes
und
liebreizendes
Wesen,
welches bezaubert und hinreisst, verleiht, so häilt er nichts-
destoweniger in den Köpfen der Heiligen, besonders der heiligen
Jungfrau, der Mutter des Heilandes, immer wieder einen ge-
wissen Zug von Heiligkeit und Göttlichkeit fest, der nicht blos
im Gesichte, sondern auch in der ganzen Haltung sich kund-
Gedanken zu
Seite der Er-
gebend, dem Geiste der Menschen jeden bösen
entwinden scheint. D'rum steht Rafael, was diese
Endung
betrifft,
sowohl
hinsichtlich
des
Historischen,
als
auch
hinsichtlich
der
Angemessenheit
höher.
Fab.
Mir
will
CS
nicht
einleuchten ,
dass
Michel
Angelo
in der Composition des Historischen dem Rafael nachstehe; ich
glaube vielmehr das Gegentheil, das heisst: dass Michel Angelo
ihn weit übertreffe. Auch wird behauptet, dass in der Anord-
nung seines wunderbaren "Gerichtes" gewisse tiefgedachte Alle-
gorien enthalten sind, die allerdings nur von Wenigen verstan-
den
werden.
Aret.
Das
wäre
an
und
für
sich
nur
lobenswerth;
denn
CS
würde
den
Anschein
haben,
dass
Cf
dabei
jene
grossen
Philosophen nachgeahmt habe, welche die höchsten Mysterien der
göttlichen sowie der Weltweisheit hinter clen Schleier der Poesie
versteckten, um vom Pöbel nicht verstanden zu werden, da sie
Perlen den Schweinen nicht vorwerfen mochten. Ich wollte
daher annehmen, dass dies die Absicht Michel Angelds gewe-
scn sei, wenn man nur nicht in seinem "jüngsten Gerichte"
auch noch lächerlichen Dingen begegnen würde.
Fab.
Und
welche
sind
diese
lächerlichen
Dinge?-
Aret.
Ist
nicht
lächerlich,
sich
im
Himmel
LIHICF
der
Menge der zur Seligkeit berufenen Seelen, deren einige zu
denken, die sich zärtlich küssen, während doch ihr ganzes
Wesen nur auf göttliche Betrachtung und auf das eben zu er-
Hiessende Urtheil gerichtet sein sollte; und dass an einem so
furchtbaren Tage, wie der Tag des jüngsten Gerichtes, laut