Volltext: Aretino oder Dialog über Malerei

in sich aufzunehmen. Kürzungen werden nur von Wenigen ge- 
würdigt, gefallen also nur Wenigen, und bereiten oft selbst 
den Kennern mehr Pein als Vergnügen. Immerhin aber muss 
zugegeben werden, dass dort, wo sie am rechten Platze sind, 
gut ausgeführte Kürzungen das Auge des Beschauers wunder- 
artig berühren, da dieser oft glaubt, etwas in seiner ganzen 
Grösse und wirklichen Proportion vor sich zu haben, was aber 
thatsächlich kaum in der Länge einer Hand ihm vorliegt. S0 
lesen wir bei Plinius, dass Apelles Alexander den Grossen im 
Dianentempel zu Ephesus mit dem Donnerkeil in der Hand so 
künstlerisch malte, dass die Finger ausgestreckt und die Blitze 
aus dem Bilde herauszuschiessen schienen. Das Alles konnte 
Apelles nur durch das Mittel der Kürzungen erreichen. Trotz- 
dem wiederhole ich aus den angegebenen Gründen, dass man 
nicht absichtlich ihnen nachjagen, sie vielmehr nur selten an- 
wenden soll, um nicht das Gefällige in der Wirkung zu trüben. 
Fab. Ich für meinen Theil, wenn ich ein Maler wäre, 
würde sie zwar nicht immer, aber dennoch oft anwenden, über- 
zeugt, dass ich mir dadurch mehr Ruhm, als durch spärliches 
Benützen derselben erwerben würde. 
Aret. Ihr seid als freier Mann 
Belieben schalten und walten; doch 
geboren, und könntet nach 
wiederhole ich Euch noch 
einmal, dass ganz andere Dinge dazu gehören, um ein tüchtiger 
und vollendeter Maler zu heissen. Eine einzelne zweckmässig 
gekürzte Figur genügt nur darzuthun, dass der Künstler, wenn 
er es wollte, auch die übrigen Figuren sämmtlich gekürzt zu 
malen im Stande wäre. Ueber das Relief, das man den Figuren 
verleihen soll, werde ich gelegentlich des Colorits sprechen. 
Fab. Ohne Relief würden alle Figuren, so wie sie that- 
sächlich sind, nämlich platt und blass gemalt, erscheinen. 
Aret. Bisher habe ich den nackten Menschen behandelt; 
jetzt werde ich über den gekleideten, aber nur mit wenigen 
Worten, reden; denn mit Rücksicht auf die Angemessenheit
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.