mals, sieht man ja Leute beisammen, die so nach einer bestimmten Einthei-
lung aussehen, der eine mit scharlachfarbem Kleide, der andere in gelbem,
andere dunkelviolett, diese azurblau und jene kupfergrün.
Diese schöne Manier, diese sorgliche Ueberlegung und diese hochedle
Vollkommenheit der Kunst Endet man in den Werken RafaePs. Demzufolge
ist es kein Wunder, dass er zeitlebens von allen bedeutendem Persönlich-
keiten geliebt und geehrt worden ist, gleichwie von allen schönen Talenten,
die damals blühten. Und als er starb, blieb in aller Welt sein Ruhm und
die Bewunderung, so zwar, dass alle seine Blätter und Zeichnungen geschützt
werden, wie man die Edelsteine und das Gold-im Werthe hält.
Dieses sind zum Theil die Gründe, welche nach meinem Ermessen
(wie es nun immer sei) Ursache sind, dass die Schöpfungen des Rafael
höheres Vergnügen bereiten, als jene des Michel Angele. Nicht aber dass ich
den Michel Angelo unterschätzte, wie bereits bemerkt wurde, denn, abgesehen
davon, dass er der erste war, welcher in diesen Tagen der Malerei Licht und
Vollkommenheit verliehen hat, so hält man auch dafür, dass er die Sculptnr
zur Vorzüglichkeit der Antike zurückführte. Ihr werdet mich zvirar kühn
nennen, dass ich über derlei Dinge so freimüthig spreche. aber wer sich auf
solche Gründe stützt, kann nicht irren. Und, umgekehrt, geht eine ungeheure
Schaar von Malern in der lrrc, welche sie nicht wissen. Und dann: weil sie
eine Leinwand ungeschickt bekleksen oder das Holz mit einem Portrat oder
verschiedene Figuren voll machen, die mehr nach einer alten Gewohnheit als
aus innerrn Impuls oder aus Kunst hervorgegangen sind, wollen sie nicht
allein für herrliche Meister gelten, sondern den Rafael, Michel Angelo und
Tizian überragen; wenn man sie aber nicht schätzt, dann klagen nicht über
ihre Unkenntniss, sondern über das Glück. Wie es ebenso bei vielen unsrer
Schrifsteller zu gehen pflegt. Bleibet wohlauf und sagt dem begabten Cam-
miletto: diesem überaus hoffnungsvollen Knaben, welcher sich so sehr ah-
müht und stets wenig zu wissen glaubt, dass man auf diesem Wege zur
erwünschten Vollkommenheit in einer Sache gelange.
III.
DEDICATIONSSCHREIBEN
DES
LODOVICO
DOLCE
AN
TIZIAN,
gelegentlich
Uebcrsendung seiner Paraphrase der G. Saty
(Vcnezia, prcsso Curzio Navö 1538.)
der
ÖCS
luvenal
An
Messer
Iwlzian:
den
Maler.
Es hat uns, mein IFCffllChStCl' M. Tizian, Iuvenal, jener scharfsinnige
Geissler und Tadel der Niederträchtigkeit seines Zeitalters, unter den andern
seiner schönen Satyren eine hinterlassen, worin er einen Freund ermahnt,
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