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wöhnliche Menschen
von seiner Hand zu
sich rühmen
besitzen.
können,
irgend
welche Arbeit
Aret. Unser Tizian ist also in der Malerei ohne Rivalen,
und so zu sagen, ein göttliches Genie. Selbst Apelles dürfte,
wenn er noch lebte, nicht glauben, sich Etwas zu vergeben,
indem er ihm huldigte. Aber ausser der Vollendung in der
Kunst, besitzt er noch andere Eigenschaften, die das höchste
Lob verdienen. Er ist vor Allem bescheiden, schimpft nie über
andere Maler, und spricht gerne mit Anerkennung über Jeden,
der es verdient. Er ist ferner ein gewählter Redner, hat viel
Geist, und urtheilt treHend in allen Dingen. Sein Naturel ist
sanft, gefällig, liebenswürdig; sein Wesen anmuthsvoll; man
braucht nur einmal mit ihm zu sprechen, um ihn für immer
lieb zu gewinnen.
Fab. Das Alles ist sehr wahr, und da ich nun glaube,
dass Euch nichts mehr übrig bleibt, über diesen Gegenstand
zu sagen, so stellen wir als Schlussresultat fest, dass, obwohl
es bis jetzt viele vortreffliche Maler" gegeben hat, folgende Drei
dennoch den ersten Rang verdienen und einnehmen: Rafael,
Michel Angelo und Tizian.
Aret. So ist es; aber mit der Unterscheidung, die ich da
hervorgehoben habe. Gegenwärtig fürchte ich sehr, dass die
Malerkunst wieder auf Irrwege gehe: denn Keinen unter den
heutigen Jüngern sieht man erstehen, der zur Hoffnung berech-
tigre, dass er zu einem Grade der Vollendung gelangen werde.
Jene aber, die etwas Seltenes werden könnten, geben sich,
vom Geize beherrscht. wenig oder gar keine Mühe bei ihren
Arbeiten.
Der
Venetianer
Battista
Franco
thut
ES
immerhin
1) Der Florentiner Herausgeber D0lce's bemerkt zu dieser Stelle mit
Recht: "Indessen, zur Zeit als dieses Buch veröffentlicht, standen in Ve-
nedig in der Blüthe ihrer Thätigkeit Tintoretto, Paolo Veronese, Bassano
und andere Maler, die wohl mehr genannt zu werden verdient hätten, als
dieser Battista Franco, dessen Bilder man kaum kennt." G. Battista Franco