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würde zu weit führen, die von ihm verfertigten Porträts, die
übrigens alle so vollendet sind, dass das Leben selbst nicht
lebendiger sein kann, hier aufzuzählen; sie stellen durchgehends
Könige, Kaiser, Päpste, Prinzen und andere hohe Persönlich-
keiten
där.
Niemals
kamen
Cardinäle
oder
andere
Grössen,
nach
seine
Venedig, ohne dass sie Tizian
Werke zu sehen, und sich von
aufgesucht hätten, um
seiner Hand malen zu
lassen. Es würde noch eine geraume Zeit in Anspruch nehmen,
wollte man von den Bildern sprechen, die sich in den Ge-
mächern des Collegiums befinden, oder von jenen so zahlreichen,
die für den Kaiser, sowie für den König von England aus-
führte; wie beispielsweise vom Bilde der Dreifaltigkeit, der
weinenden Madonna, des Titius, des Tantalus, des Sysiphus,
der Andromache, des Adonis (von welchem nächstens ein
Kupferstich erscheinen wird) und anderer Historien und Fabeln,
die durchaus in Zeichnung, Colorit und Erfindung Meister-
werke sind. Doch ich halte mit seinem Lobe zurück, einerseits
weil er mein Freund und Vetter ist, anderseits weil man ab-
solut blind sein müsste, um die Sonne nicht selbst zu sehen.
Dennoch will ich noch das Eine nicht verschweigen, dass Ti-
zian in Mantua für den Herzog Friedrich die zwölf Cäsaren,
theils nach Medaillen l), theils nach alten Marmorbildern, malte,
und auch diese Arbeit in so unerreichbarer Weise vollbrachte,
dass zahllose Menschen, blos um dieselben zu besichtigen,
nach jener Stadt sich begeben, um dann zu gestehen, sie seien
der Meinung gewesen, viel eher die wahren Cäsaren selbst,
als deren Bildnisse, zu erblicken.
Fab.
Auch
mir
ist
CS
bekannt,
dass
HUT
sehr
wenige
1) Die Medaillons der zwölf ersten römischen Kaiser gingen in den Be-
sitz König Karl I. über, in dessen Gallerie sich an fünfzig Originalgemälde
Tizians befinden. Die Medaillons wurden in Mantua um 1200 Pfd. gekauft.
Nach dem Tode des Königs wurden auch diese Medaillons einzeln verkauft,
und gingen in verschiedene Hände über.