Volltext: Aretino oder Dialog über Malerei

trägt, und einige andere Porträts aus der Pesaro-Familie an- 
gebracht, die alle lebenswahr aussehen. Im Kloster der Kirche des 
heiligen Nicolaus l) malte er beim grossen Altare ein Bild dieses 
Heiligen, als Hauptfigur, angethan mit einem goldenen Pluvial, 
bei welchem man die Metallglätte und den Glanz des Goldes, 
das in Wirklichkeit gewebt zu sein scheint, sieht. Auf der 
einen Seite ist in ungemein anmuthiger Stellung eine heilige 
Katharina angebracht, die in den Zügen und in der ganzen 
Haltung etwas Himmlisches an sich hat. Auf der anderen Seite 
behndet sich, nackt und sehr hübsch geformt, ein heiliger Se- 
bastian von einem so natürlichen Fleischtone, dass die Figur 
mehr lebendig als gemalt aussieht. Als Pordenone kam, diesen 
Sebastian zu besichtigen, rief er aus: ich glaube, dass bei die- 
sem nackten Körper Tizian, anstatt der Farben, Fleisch ver- 
wendet habe. Etwas mehr im Hintergrunde bemerkt man noch 
andere herrliche Figuren, die durchgehends im Anblicke der 
heiligen Jungfrau, welche in der Höhe, von Engeln umgeben, 
dargestellt ist, versunken scheinen. Jede dieser Figuren athmet 
Keuschheit und frommen Sinn, während der Kopf des heiligen 
Nicolaus in Warheit bewunderungswürdig und voll unendlicher 
Majestät 
ist. 
l) Ueber dieses Gemälde berichtet ausserdem Vasari (XIII. p; 41. n. I) 
und Ri dolfi (1. c. 155). Vasari spricht von diesem Gemälde (tavoletta) betrePFs 
des S. Niccolö darauf „che par vivo"; es sei bestellt worden durch einen Advo- 
katen Niccolö Crasso; Ridolfi sagt, Tizian habe den Kopf des Heiligen ge- 
malt ,.gentilmente" wie den Laokoons-Kopf, Das Gemälde wird gewöhnlich in 
d. J. 1563 gesetzt, und zwar nach einer von Cicogna (lscrizioni Veneziani; 
IV. 162) mitgetheilten Nachricht, dass der Altar im J. 1563 fertig wurde. 
Da aber das Buch Dolce's schon im J. 1557 gedruckt wurde, so geht daraus 
hervor, dass die von Cicogna gebrachte Nachricht nicht vom Gemälde Tizian's, 
sondern nur von dem Altare als solchem seine Geltung haben kann. Das Ge- 
mälde der Chiesetta existirt aber nicht mehr in Venedig, sondern ist in der 
Gemäldesammlung des Vaticans, für welche sie von Clemens XIV. erworben 
wurde.
	        
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