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ehrenwerthen Eltern ward er, als erst neunjähriger Knabe,
vom seinem Vater zu einem Bruder nach Venedig geschickt,
welcher hier eines jener nur einheimischen Bürgern vorbehal-
tenen Aemter inne hatte. Dieser sollte den Knaben in der Ma-
lerkunst unterrichten lassen, da man in ihm, trotz des zarten
Alters, ein glänzendes Talent für dieselbe erkannt hatte.
Fab. Es freut mich ungenwin einige
ausserordentlichel] Maler zu vernehmen.
Details
über
diesen
Aret. Der Onkel führte nun den Knaben sogleich zu Se-
bastiano, Vater des geschmackvollen Valerio, und des Francesco
Zuccati, der einzigen Meisterin] Mosaikfache, welche diese
Kunst zu der heutigen Vollendung, die selbst die Schönheit
der besten Malerwerke erreicht, gebracht haben, und bat ihn,
dem Kleinen die Anfangsgründe der Kunst beizubringen. Se-
bastiano trat den Knaben an Gentile Bellino?) ab, der ein min-
der begabter Bruder des GlOVEIHHl Bellino war, und der mit
diesem soeben im Saale des grossen Rathes arbeitete. Aber
Tizian, von der Natur zu einem höheren Ideenschwtinge und
zur Vollendung selbst in der Kunst gedrängt, konnte sich nicht
dazu verstehen, Gentile's trockene und mühselige Manier zu
befolgen; er zeichnete im Gegentheile mit grosser Gewandtheit
und Kraft. Da belehrte ihn Gentile, dass er in der Malerei
nicht weiter kommen würde, nachdem er sich von seiner eige-
nen Manier so sehr entferne. S0 verliess Tizian diesen schwer-
1) Es ist wohl nicht nöthig, auf die Bedeutung dessen, was hier Dolce
über Tizianischrieb, aufmerksam zu machen; er schrieb gewissermassen
unter den Augen Tizians. Geboren 1477 in Cadore, wurde er von seinem
Vater 1486 zu seinem Onkel Antonio geschickt.
Die Zuccatis, zu welchen Tizian zuerst in die Lehre_trat, waren aus
Ponte in Valtellina. Sebastiano Zuccati war Maler, seine Söhne Valerio und
Francesco Musaicisten. Ihre hervorragenden Arbeiten an der Fagade der Mar-
kuskirche sind datirt, u. z. vom J. 154.5. S. Zanetti "Delle pittura Veneziae".
Venezia 1571. p. 571.
2) Gentile Bellini, jüngerer Bruder des Giovanni, geb. 142i, gest. i5o7.
Quellenschriften i". Kunstgeschichte etc. U. 7