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einflössen, der ein gewandter und kühner Meister war, der
sich mit Vorliebe in Kürzungen und in der Darstellung des
Furchtbaren gefiel. In Venedig sieht man einige seiner Fresco-
Malereien, die sehr schön sind: wie beispielsweise an der Fagade
des Hauses Talenti einen in bewundertmgswürdiger Kürzung
ausgeführten Mercur; ein Schlachtbild, ein Pferd durch-
gehends sehr estimirte Arbeiten und eine Proserpina in den
Armen Plutos, die eine ungemein reizende Figur ist. Ein an-
deres Bild, das ihm grossen Ruf verschaffte, befindet sich in
der Hauptcapelle der Kirche vom heiligen Rochus," und stellt
Gott Vater, umgeben von einigen Engeln im Himmel, nebst
verschiedenen Evangelisten und Doctoren, dar. Er muss jeden-
falls nicht ohne Bedeutung gewesen sein, nachdem er mit
unserem Tiziano zu conctirriren hatte, von dem er jedoch
immer weit zurückblieb. Kein Wunder übrigens, da sich in
Tizian allein, mit ETlEILIbHiSS der übrigen Maler sei es gesagt,
all' jene Vorzüge in hoher Vollendung vereinigt vorfinden, die
man sonst unter vielen Anderen zerstreut einzeln begegnet.
Niemand hat ihn jemals in der Erfindung und Zeichnung über-
troffen, und im Colorite hat er nie seinesgleichen gefunden.
wir wieder Pordenone in Venedig. Die Decke des Saales de Prcgadi brachte
er vor März 1538 fertig, welche später eine Feuersbrunst zerstörte. In diese
Zeit fällt die Rivalität zwischen Tizian und Pordenone. Tizian, der mit dem
Gemälde, das er seit dem Tode Giov. Bellini's für den grossen Rathssaal
malen sollte, nicht fertig machen konnte und wollte, erhielt in dem grossen
Freskenmaler Pordenone einen mächtigen Concurrenten. Am 23. Juni 1537
wurde Tizian seiner Stelle im Salzamte enthoben, und ihm verboten, sein
unfertiges Bild zu vollenden. Am 22. Nov. 1538 bekam Pordenone den Auf-
trag, ein Bild für denselben Saal zu malen. 1538 starb Pordenone in Ferrara,
wohin er sich begab, um im Auftrage des Herzogs ein Bild zu malen.
Pordenone nannte sich gewöhnlich Giovanni Antonio Sacchiensis; aber
auch andere Bezeichnungen kommen vor. Er war zweimal vermält; 1504 mit
Anastasia, der Tochter des Maestro Stefano aus Belluno, und 1513 mit Eli-
sabetta Qualiata, S. Maniago Belle Arti Friul. 2, ed A. Crowe et Ca-
valcaselle l. c. ll. p. 238-293.