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WAHRHEIT DER FARBE
lm ersten Saal der National Gallery hängt eine, dem
Gaspar Poussin zugeschriebene Landschaft, ,La Riccia"
benannt. Ob sie La Riccia bei Albano gleichen soll,
will ich nicht entscheiden, denn die meisten Städte
der alten Meister ähneln eben so sehr diesem wie
jenem Ort. jedenfalls stellt sie eine Stadt dar auf
einem Berge, der von zweiunddreißig Büschen in
uniformer Größe bewachsen ist, alle ungefähr mit
denselben Blättern. Diese Büsche sind in stumpfem
undurchsichtigen Braun gehalten, dessen Lichter grün-
lich schimmern und dessen Grundfarbe sich bis auf
ein Stück Felsen hin erstreckt, der in der Natur neben
den glänzenden Farben des Laubes kühl und grau
gewirkt hätte, und der deswegen hier, wo er völlig
im Schatten steht, ausdrücklich und absichtlich in sehr
hellem, hübschem, positivem Ziegelrot erglänzt. Das
einzige in dem Bilde, was farbig wirkt. Den Vorder-
grund bildet ein Stück Landstraße, die, um ihre größere
Nähe zu bekunden, und wegen der Fülle an Vegetation,
die gewöhnlich auf Landstraßen wächst, statt hell, in
kühlem grau-grün gehalten ist. Die Wahrheit des
Bildes wird vervollständigt rechts durch eine Anzahl
Punkte am Himmel, deren Stengel nüchtern und
gleichmäßig braun gehalten sind.
Vor nicht langer Zeit stieg ich von Albano abwärts.
Es gewitterte, als ich Rom verließ, und über die ganze
Campagna fegten schwefelbraune Wolken; hie und da