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Wandel und Wechsel, durch den die Natur ihre Stunden
aneinander reiht. Sie stellten die Wärme der sinkenden
Sonne dar, die alle Dinge durch ihr Gold über-
wältigt; aber nicht jene grauen Töne am Horizont,
die hinter ihrem ersterbenden Licht stehen und in
denen Kühle und Düster der Nacht sich zum Siege
sammeln. Ob dies auf mangelndem Können oder
Urteilslosigkeit beruhte, weiß ich nicht. Ich weise
nur auf Turners Kühnheit auf diesem Gebiete hin,
als auf etwas, mit dem bisher nichts in der Kunst
vergleichbar ist, und das nur zu versuchen schon
Überlegenheit ausdrückt. Man betrachte die Wirkung
der Abendbeleuchtung auf seinem ,Temeraire'. Sie
wird beim ersten Anblick nicht die Täuschung wirk-
lichen Sonnenlichts hervorrufen, weil mehr als Sonnen-
licht in dem Bilde ist; weil hinter dem gewölbten
Schleier lodernder Glut, die das Schilf auf seiner
letzten Fahrt beleuchtet, eine tiefe, blaue, trostlos
finstere Höhlung gähnt, aus der man den Nachtwind
seufzen hört und das dumpfe Anschlagen des be-
wegten Meeres; weil die tödlich kalten Schatten der
Dämmerung durch jeden Sonnenstrahl huschen und
man jeden Augenblick meint, die Nacht werde das
scheidende Schiff in ihre undurchdringliche Unend-
lichkeit einspinnen.
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