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vorhanden sind, Hnden wir das Bildnis nicht ähnlich;
ebenso verhält es sich umgekehrt. Dass wir es
wiedererkennen, beweist nichts für seine Ähnlichkeit.
Erkennen wir doch unsere Bücher am Einband, ob-
wohl ihr Charakteristikum innen liegt. Der Mensch
wird von seinem Hund am Geruch, von seinem
Schneider am Rock, von seinem Freund am Lächeln
erkannt. Sie kennen ihn alle. Aber wie viel oder
wie wenig sie von ihm erfassen, hängt von ihrer
geistigen Beschaffenheit ab. Gott allein kennt das Ge-
heimnis der Persönlichkeit. Ein Portrait kann die
Ähnlichkeit der Züge genau wiedergeben und kein
Atom Ausdruck besitzen. Es mag, um den beliebten
Ausdruck zu gebrauchen, sprechend ähnlich sein.
Selbst seine Katze würde ihn erkennen. Ein an-
deres Portrait gibt die Züge vielleicht nur andeutend,
ungenau wieder, aber sein Auge leuchtet uns ent-
gegen, sein Lächeln strahlt uns an, wie es nur in
Momenten höchster geistiger Erregung seine Lippen
umspielt. Das erkennen nur seine Freunde. Ein an-
deres Bildnis stellt einen Ausdruck an ihm dar, der
ihn in dem wunderbarsten Augenblick seines Lebens
überkam, als seine geheimsten Leidenschaften und
seine höchsten Fähigkeiten zugleich entflammten.
Nur wer ihn so geschaut, wird das Bild erkennen.
Aber welches Bild wäre der Mensch selbst? Das
erste gibt die zufällige Außenseite des Leibes das
was Klima, Sport, Nahrung und die Zeit den Zügen
aufgeprägt haben; das, worin die Korruption haust