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keit des italienischen Himmels gesagt und gesungen
ist, zu der irrigen Meinung verleiten lassen, er sei
blauer als der nördliche Himmel. Und doch ist der
italienische Himmel matter und grauer als der nörd-
liche und unterscheidet sich nur durch sein intensiv
ruhiges Leuchten. Noch seltsamer ist es aber, wenn
Menschen in, einem Bilde das zu sehen glauben, was
sie für die Ursache ihres Eindrucks halten. Wenn sie
sich täglich von dem warmen Ton des italienischen
Himmels beeinflussen lassen, ohne der Ursache nach-
zugehen, werden sie einen gemalten blauen Himmel
für wahr erklären und die getreueste Wiedergabe der
wirklichen Attribute Italiens als kalt und matt zurück-
weisen. Dieser Einfluss der Fantasie auf die Sinne
äußert sich merkwürdig in der menschlichen Disposi-
tion, das zu sehen, was man weiß, und das nicht zu
sehen, was man nicht kennt. Alle primitiven Kunst-
werke Einzelner und ganzer Völker zeigen durch
ihren Mangel an Schatten, wie wenig man bloß mit
dem Auge ohne Erkenntnis die Wahrheit finden kann.
Das Auge der roten Indianer, scharf genug, um die
Fährte ihrer Feinde oder ihrer Beute in zer-
tretenen Gräsern und Blättern zu verfolgen, steht
dem Eindruck von Schatten stumpfsinnig gegenüber.
Ein Reisender geriet unter ihnen in Lebensgefahr,
weil er sie abgezeichnet und ihr Antlitz teilweise in
Schatten gehalten. Sie hielten sich für beleidigt und
glaubten, er habe sie um die eine Hälfte ihres Gesichts
betrügen wollen.